VWL leicht gemacht (III):

,,Erklär mir die Welt“

Artikelserie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
(Frage 43; 8.4.2007)

Wenn die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ihren Lesern Geld und Gewinn, Unternehmer, Steuern und Staat „erklärt“, dann will sie ihnen immer nur beibringen, die Gegenstände ihrer Erklärung gut und nützlich zu finden. Dass das nicht ohne allerhand dämliche Argumente abgeht, das haben wir schon mehrfach dargelegt (vgl. Versus 15, 16, 17). Diesmal also die Frage:

„Warum und wozu verpflichtet Eigentum?“

Worauf es rauslaufen soll, stellt der Autor dankenswerterweise gleich fett gedruckt voran:

„Eigentum muss allen heilig sein. Denn sonst kommt die Wirtschaft nicht in Gang. Darauf sollen die Menschen verpflichtet werden.“

So leicht ist der F.A.Z. nichts peinlich: Passend zum Sonntag erklärt sie das Eigentum für heilig, für ein quasireligiöses Gebot, dem alle Menschen, die wirtschaften wollen, zu verpflichten sind. Damit wäre der Aufsatz eigentlich schon fertig, schließlich muss etwas Heiliges nicht weiter erläutert oder begründet, sondern, weil heilig, geachtet und verehrt werden. Aber so schnell geht’s dann doch nicht.

Die F.A.Z. begibt sich in die ferne Vergangenheit:

„Historisch jedenfalls gehört die Vorstellung vom privaten Eigentum spätestens seit der jüngeren Steinzeit zu den Grundüberzeugungen vieler Völker.“

Na also: Schon in der Jungsteinzeit gab es privates Eigentum und auch da schon als „Grundüberzeugung“. Wenn das nicht beweist, dass das Eigentum für die menschliche Existenz unerlässlich ist. Und weiter:

„Kleider, Schmuck und Waffen, Dinge also, die für die persönliche Existenz eines Menschen unentbehrlich sind, stehen nicht beliebig jedermann zur Verfügung. Das persönliche Eigentum wurde für so wichtig angesehen, dass es den Menschen mit in ihr Grab gegeben wurde.“

Jetzt allerdings kommt Eigentum nur in sehr begrenzter Form ins Bild. Die Rede ist ausschließlich von Dingen des persönlichen Bedarfs. Was der Mensch so am Leibe trug, das trug eben er am Leibe und niemand anderes (aha!), und in manchen Kulturkreisen wurde er auch damit beerdigt. Wichtig mag den Altvorderen das Zeug, das vor allem den Wohlhabenden unter ihnen ins Grab gelegt wurde, schon gewesen sein, aber für die Existenz unentbehrlich? Schmuck und das letzte Hemd, pardon, der letzte Harnisch? Wir blicken im Artikel nach hinten und stellen fest, dass die F.A.Z. da ihr Missgefälliges aus der älteren deutschen Geschichte zu berichten weiß:

„Im Gegensatz zum römischen Recht, das einen strengen Begriff des Privateigentums kennt, hielten die nördlich der Alpen lebenden Germanen lange am Familieneigentum und Gemeineigentum fest. … Brachland, Weide und Gewässer (standen) als Allmende im Eigentum der Gemeinde allen zugleich zur Verfügung.“

Mit dem, was existenziell wirklich notwendig war, woraus und womit der Lebensunterhalt bestritten wurde, hielten es zumindest die alten Germanen also ganz anders. Teile davon waren gerade nicht Privatbesitz. Ihren Grabbeigaben ausgerechnet den Hinweis auf die allgemein menschennatürliche Notwendigkeit des privaten Eigentums als Grundlage von Wirtschaft zu entnehmen, ist doch einigermaßen dreist. Genau damit geht es aber weiter, wenn sich die F.A.Z. daran macht, Eigentum zu definieren. Zustimmend zitiert sie den französischen Ökonomen Frédéric Bastiat:

„Danach ist Eigentum eine Rechtsbeziehung zwischen Personen in Bezug auf Sachen. In einem Haus, welches mir gehört, habe ich das Recht, zu beherbergen, wen ich will (oder nicht). …. Eigentum regelt Besitzansprüche und verleiht Anrechte. Was will man mehr in einem Rechtsstaat?“

Ein Dach über dem Kopf vielleicht? Kriegt man aber nicht so einfach, wenn alle Häuser Eigentümer haben. Was man, und da nun wieder jedermann, kriegt, ist ein Recht, das festlegt, dass man nichts kriegt, wenn man die Ansprüche dieser Eigentümer nicht befriedigen kann. Diesen Charakter eines Anrechts, das allgemeine Gültigkeit hat, kann sich das Eigentum allerdings nicht selbst verleihen. Dass alles, was der Mensch braucht und das Herz begehrt, dem gehört, der sich zu seinem Eigentümer erklärt, und Zugriff darauf nur möglich ist, wenn der daran verdient, das würden die, denen auf diese Weise ein freier Zugriff vorenthalten werden soll, nicht akzeptieren. Sie tun das nur, wenn und weil es eine machtvolle Instanz gibt, die ihnen das aufzwingt. Erst die Gewalt des Staats setzt durch, dass sämtliche Produktionsstätten und damit sämtliche Produkte, ja sogar der Grund, auf dem man wohnt, in privater Verfügungsgewalt bleiben, also überhaupt erst Eigentum sind. Staatliches Recht also legt für jeden gleichermaßen fest, dass es unter allen Umständen verboten ist, in fremdes Eigentum einzudringen und es deshalb unter Umständen geduldet wird, wenn sich Obdachlose auf Abluftschächten und unter Brücken den Hintern abfrieren. Da weiß man doch, woran man ist, und was will man mehr?

So gemütlich, wie es die F.A.Z. in Anlehnung an den guten, alten John Locke behauptet, verhält es sich eben nicht mit dem bürgerlichen Staat. Demzufolge

„vereinigen sich die Menschen nur deshalb zu einem Staat, um gegenseitig(!) ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Güter zu sichern.“

Wenn das wahr wäre, wäre ein Staat so überflüssig wie ein Kropf. Eine Ansammlung von Eigentümern, die alle nur darauf bedacht sind, dass niemandem Leben, Gut und Freiheit abhanden kommen – wozu sollte da die Vereinigung zum Staate gut sein? Es müsste ja niemand an irgendwas gehindert werden, weil sowieso keiner dem anderen ans Leder will. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Weil der Staat die Nutzung privaten Eigentums zum einzig erlaubten Mittel für Lebensunterhalt und Reichtumserwerb gemacht hat, ist man auf die Güter des anderen durchaus scharf, zumal zwar alle dem Recht auf Eigentum unterworfen, aber keineswegs alle ausreichend mit Gütern gesegnet sind. Auf dieser Basis gibt es für die Staatsgewalt allerhand zu tun:

„Wer, wenn nicht der Staat, sollte mittels Polizei und Gefängnis eine Eigentumsordnung garantieren, wenn in einem Land Diebe und Plünderer umgehen?“

Zügig verlässt die F.A.Z. die vorgestellte Idylle von der Vereinigung der Menschen zum Zwecke gegenseitiger Absicherung wieder. Sie weiß eben sehr gut, dass ohne Gewalt die Sicherung „menschlicher Freiheitsausübung“ in einer „Eigentumsordnung“ gar nicht zu haben ist. Dafür ist allerdings ein bisschen mehr nötig, als Ladendiebe und Handtaschenräuber dingfest zu machen. Den privaten Eigentümern geht es nämlich keineswegs darum, fremde Güter „zu sichern“. Im Gegenteil: Die anderen Gesellschaftsmitglieder und deren Eigentum sehen sie prinzipiell als Mittel dafür an, das eigene zu vermehren. Eine ganze Rechtsordnung mit Legislative, Exekutive und Jurisdiktion muss da festlegen, was diesbezüglich erlaubt und verboten ist, und mangelnden Respekt vor dem Eigentum anderer ahnden. Und vor der Unbotmäßigkeit der vielen, die durch das private Eigentum von der Teilhabe am Reichtum der Gesellschaft ausgeschlossen sind, muss das Eigentum natürlich auch geschützt werden. Dann aber lässt sich deren Bedürftigkeit wunderbar für die Ansprüche des Eigentums zum Einsatz bringen.

„Die Erwartung, von seinem Kapital Profit zu erhalten, die wichtigste Triebfeder einer Marktwirtschaft, beruht auf dem Recht auf Privateigentum. Nur wo Eigentum rechtlich garantiert wird, sind Menschen bereit, Ideen umzusetzen, Geld zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Eigentum schaffe Wohlstand, wusste schon Adam Smith.“

Na ja, kommt doch sehr darauf an, wohin man schaut. Eigentum – und jetzt redet die F.A.Z. plötzlich und gar nicht zufällig nicht mehr von Schmuck und Oberbekleidung, sondern von Kapital – schafft Wohlstand bei denen, die es besitzen, damit Ideen und Arbeitskraft anderer kaufen und dafür einsetzen können, ihren Besitz zu vermehren. Mit dem Wohlstand derer, die diese Dinge feilbieten, sieht es dagegen ein bisschen anders aus. Käuflich ist ihre geistige und körperliche Arbeitskraft nur, weil sie zu dem Großteil der Bevölkerung gehören, der nicht über Eigentum verfügt, von dem er leben könnte, aber von der staatlichen Rechtsordnung auf die Nutzung von Eigentum festgelegt ist. Diese Leute brauchen also einen Arbeitsplatz, an dem ein Kapitaleigner sie dafür bezahlt, dass sie ihm dazu verhelfen „von seinem Kapital Profit zu erhalten“. Ihre Not – von wegen Wohlstand! – macht sie erpress- und für die Profiterzielung einsetzbar. Und sie macht sie existenziell von der Profitkalkulation der Kapitaleigner abhängig.

Es kommt also sehr darauf an, wie man es meint, wenn man vollmundig verkündet:

„Privateigentum fördert per se das Gemeinwohl.“

Das darf man eben nicht dahingehend missverstehen, dass da jeder kriegt, was er braucht. Wo bliebe da auch der marktwirtschaftliche Schwung! Schließlich kann man nicht zuletzt in der F.A.Z. beständig die dringende Forderung nach Lohnkostensenkung und vermehrter Arbeitsleistung entnehmen, um, je nach Konjunkturlage, den Aufschwung zu erzeugen oder den Abschwung zu verhindern. Der Erfolg, auf den es in einer Marktwirtschaft ankommt, die Erzielung von Profit, lebt eben immer von der Armut derer, die Lohnarbeit verrichten. Dieser Erfolg heißt Wirtschaftswachstum und ist das Prinzip, das unserem marktwirtschaftenden Gemeinwesen zugrunde liegt. Daraus bezieht der regierende Sachwalter dieses Gemeinwesens seine Mittel, und darauf kommt es ihm an. Dann allerdings, so logelt die F.A.Z., darf man zwischen Gemeinwohl und der Mehrung privaten Eigentums keinen Unterschied mehr machen. Das, so ihre apodiktisch vorgetragene Behauptung, ist dann dasselbe – „per se“ eben.

Kein Wunder; dass sie diese Botschaft an all ihre Leser mit der Heiligsprechung des Eigentums einleitet. Einen guten Grund, das einzusehen, gibt es für die, auf deren Ausbeutung Profitproduktion beruht, ja wirklich nicht. Auch kein Wunder also, dass sie jede andere Vorstellung vom Gemeinwohl verdammt. In seinem Eifer kommt dem Prediger von der F.A.Z. da sogar der deutsche Staat ins Visier:

„Das Privateigentum konnte hierzulande noch nie ganz sicher sein. Immer drohte Enteignung – vermeintlich im Interesse übergeordneter Gemeinwohlinteressen. … den latenten Sozialismus der Gemeinwohlorientierung wollten 1948 auch die Konservativen (unter den „Vätern des Grundgesetzes“ d. V.) nicht tilgen.“

Latenter Sozialismus mitten im Grundgesetz? Daimler AG und Thyssen-Krupp von Enteignung bedroht? Spinnt der Mann? Ja natürlich, aber nicht so. Dass Deutschland auf dem Weg zum Kommunismus sei, glaubt er natürlich selbst nicht. Aber er malt dies als Menetekel an die Wand, um klarzustellen, dass jeder regelnde Eingriff in die Freiheit der Kapitalvermehrung diese zu befördern und in keiner Weise zu beschränken habe. Und da sieht er hierzulande noch einiges im Argen. Vom Artikel 14 der FDGO bis zum Spitzensteuersatz, alles Versündigungen an der liberalen Eigentumsordnung, die in letzter Konsequenz nur zur Verdammnis führen können.

„Das Recht auf Privateigentum (hat) für viele Menschen die Sünde der Ungleichheit in die Wirtschafts- und Sozialordnung gebracht. …. Kein Wunder, dass kommunistische Träume das abendländische Denken seit dem Urchristentum beherrschen. Wo die Menschen diese Utopien umsetzten, ging immer alles schief: Das Eigentum war nichts mehr wert, und der Wohlstand schwand dahin.“

Na ja, dass das Eigentum nichts mehr wert ist, wenn man es abschafft (das Kapital, nicht Kleider und Schmuck!) – geschenkt. Und das mit dem Wohlstand? Da müsste man sich doch mal genauer anschauen, worin die Utopien denn so bestanden und wie sie von wem „umgesetzt“ wurden. Braucht die F.A.Z. aber nicht, denn: Gehe zurück auf Los! Wenn irregeleitete Schafe dem falschen Glauben anhängen und sich am Heiligtum vergreifen, dann kommen sie in die Hölle, das ist doch klar!

Vielleicht sollten Leute, die mit zu vermehrendem Eigentum nicht so reich gesegnet sind, sich mal überlegen, ob sie das glauben wollen.

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