Bezahlbare Wohnungen für Studenten sind Mangelware. 70.000 sollen bundesweit davon fehlen. Wie kommt’s? Beispielhaft für die gesamte öffentliche Besprechung klärt die FAZ auf. Mittels eines an der richtigen Stelle platzierten Doppelpunkts: „Doppelte Abiturjahrgänge, Wegfall der Wehrpflicht und steigende Mieten in den Großstädten: Selten war die Wohnungsnot unter Studenten so groß wie im Moment.“ (FAZ, 27./28.10.2012)
Studenten, die bezahlbare Wohnungen suchen, Immobilienbesitzer, die möglichst viel Miete aus ihrem Besitz herausholen wollen: Diesen Gegensatz verwandelt das „Blatt der klugen Köpfe“ in eine aus gleichberechtigten Faktoren zusammengesetzte Lage, die keinen Grund für die Wohnungsnot kennt, aber Betroffene schafft, die damit zurecht kommen müssen.
Und, was machen die betroffenen Studierenden? Sie stellen sich dieser „Lage“, versuchen eine Wohnung zu bekommen – und verschärfen erst einmal das Problem: „‘Studenten sind zum Teil unfreiwillig Mitverursacher dieser Preissteigerungen, durch ihre hohe Nachfrage können Vermieter mehr Geld nehmen‘, sagt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks.“ (FAZ, ebenda) Unser Tipp: Am besten, die „unfreiwilligen Mitverursacher“ fragen angesichts ihres dringlichen Bedarfs einfach freiwillig weniger nach, um bei den wegen geringer Nachfrage dann wieder gesunkenen Mieten zuzuschlagen .
Sollten die Vermieter auf diesen Trick womöglich nicht hereinfallen und doch keine bezahlbare Wohnung herausrücken, muss man eventuell auch zur genau umgekehrten Taktik greifen. So moniert die geschäftsführende Kollegin des gleichen Studentenwerks in Freiburg, Renate Heyberger: „Für ihren Geschmack“ sind „manche Studienanfänger … etwas zu nachlässig mit der Wohnungssuche“ (FAZ, ebenda). Wenn der Student keine Wohnung kriegt, liegt das dieser Dame zufolge daran, dass er sich nicht richtig gekümmert, er also nicht intensiv genug nachgefragt hat. Denn: Wo keine Nachfrage, da auch kein Angebot . Also wieder durchstarten mit der Wohnungssuche – aber richtig, denn: Oft sind „die Ansprüche zu hoch“ (FAZ, ebenda). Wohnen wollen, womöglich auch noch gut und billig? So nicht! Marktgerecht Nachfragen ist die Kunst: Nur das haben wollen, was es gibt, und zwar zum richtigen Zeitpunkt und ohne Flausen in Sachen Qualität im Kopf.
Falls dann trotz aller Verrenkungen das Geld selbst für ein Wohnklo mit Essnische nicht reichen sollte, hat der Wohnungsmarkt noch ein Sonderangebot zu bieten: in Form von Vermietern, die auch klamm sind: „‘Wohnen für Hilfe‘-Projekte(n), in denen Studierende in Familien oder bei Senioren zu sehr geringen Mieten unterkommen und im Gegenzug Hausarbeiten oder andere Hilfsdienste verrichten.“ (faz.net; 17.10.2012) Wenn das keine „Win-Win-Situation“ für Loser ist. Die einen sind so sehr am Arsch gepackt, dass sie ihre Wohnung mit Studenten teilen müssen, die anderen wischen ihnen dafür selbigen oder selbige aus.
Wenn der „Markt“ schon nichts hergibt, vielleicht zeigt sich die Öffentlichkeit ja von der publik gemachten Not der künftigen Elite beeindruckt. Da sind originelle Einfälle wie die der Kommilitonen aus dem Badischen gefragt: „Im Zuge einer Protestaktion in Karlsruhe übernachteten 12 Studenten mehrere Tage lang abwechselnd im Schaufenster eines Schreibwarengeschäfts mitten in der Fußgängerzone.“ (faz.net; 17.10.2012) Der „Protest“ kennt zwar keinen Adressaten, an den er sich richtet, macht aber anschaulich und für jedermann unübersehbar, dass da ein (nein, kein egoistisch-studentisches, sondern gesellschaftliches) Problem existiert, für das ein Handlungsbedarf vorliegt; z.B. für verantwortungsbewusste Bürger. Da will dann ein Freiburger Bäckermeister nicht abseits stehen und druckt „Aufrufe zur Vermittlung von Privatzimmern auf 100.000 Brötchentüten“ (faz.net; 17.10.2012). Während die Studies tausendfach und ganz umsonst wenn schon keine Wohnung, so doch auf jeden Fall die Anerkennung ihrer prekären Lage kriegen, spekuliert der geschäftstüchtige Bäcker darauf, dass sein selbstloser Akt seinen Brezelverkauf ankurbelt. So hat wenigstens einer was von dieser PR-Aktion.
Des einen Leid, des anderen Freud
Es gibt auf dem Wohnungsmarkt freilich auch Akteure, die der „Lage“ garantiert was abgewinnen können, weil sie sie herstellen: „Genau deshalb war der Baubürgermeister (von Karlsruhe) auch beim Tag der offenen Tür unterwegs, der jüngst in der Youniq-Anlage stattfand. … Eingeladen hatte MPC Capital, ein Fondshaus, das privaten Kapitalanlegern die Möglichkeit bietet, sich an Studentenapartmentanlagen finanziell zu beteiligen. Marktanalyst Matthias Pink von Savills erläuterte den interessierten Kapitalanlegern: ‚Karlsruhe befindet sich bereits im angespannten Drittel unseres Rankings unter 50 deutschen Hochschulstandorten.‘ Hinzu komme die geringe Leerstandsquote auf dem Wohnungsmarkt sowie der relativ niedrige Versorgungsgrad mit Wohnheimplätzen. Was schlecht für die Studenten sei, wäre gut für Investoren.“ (ka-news.de; 04.09.2012)
Na also, geht doch! Not taugt dazu, dass man sie geschäftsmäßig ausnützt. Und je größer die Not, umso besser fürs Geschäft. Das ist nicht zynisch, sondern „realistisch“ – und schon o.k., wie der zuständige Wohnungsbauminister vermeldet: „Die Mieten seien im vergangenen Jahr bei neuen Verträgen bundesweit im Durchschnitt gegenüber 2010 um drei Prozent gestiegen, berichtete Ramsauer. …. Ein starkes Wirtschaftswachstum und die Flucht in Sachwerte aus Angst vor einer Geldentwertung hätten zu einer größeren Nachfrage [nach Immobilien] geführt. Den Preisanstieg sieht Ramsauer eher als eine ‚natürliche und gesunde‘ Entwicklung am Markt.“ (welt.de; 17.10.2012)
Wohnraum ist für den, der ihn besitzt, zur Geldvermehrung da; das gehört nach des Ministers Wort zur „Natur“ des Wohnungsmarktes. Und wer beim Erwerb von Sachwerten in Wohnungsgestalt „gesunde“ Preise bezahlen muss, der – auch das ist „am Markt“ nur „natürlich“ – sorgt für die Rentierlichkeit dieses Investments, indem er sich an seinen Mietern gesundstößt. Für die Studenten, die damit möglicherweise ein Problem haben, hat der Minister – der diesen Immobilienmarkt per Gesetz ins Recht setzt und nicht etwa der „Natur“ ihren freien Lauf lässt – auf der anderen Seite natürlich jede Menge Verständnis: „Ramsauer will angesichts der ‚katastrophalen Situation‘ alle Beteiligten an einen Runden Tisch holen. Zu Recht fragten sich die jungen Menschen, ‚was ist das für ein Staat, drängt uns ins Studium und dann sollen wir unter der Brücke schlafen‘, rügte Ramsauer (maerkischeallgemeine.de; 17.10.2012). Da werden sie aber zittern, die „Gerügten“, wenn der Minister die „jungen Menschen“ zum Runden Tisch einlädt, wo sie zusammen mit den von Ramsauer zum Preistreiben Beglückwünschten ihr Schicksal in die Hände des einzig dazu befugten verantwortlichen Problemlösers legen dürfen.
Ein falscher und ein richtiger Schluss
Angesichts dessen und der erklärtermaßen bleibenden Wohnungsnöte (Ramsauer und der Berliner Bausenator Michael Müller „wandten sich gegen die Annahme, die Wohnungsnot sei eine vorübergehende Erscheinung“, FAZ 28.11.2012), zweifeln einige Studierende – nicht am pumperlg’sunden „Markt“, der eine einzige Erpressungsveranstaltung ist, sondern an sich: „Manche bekämen durch die Absagen ‚ein echtes Egoproblem‘.‘Woran liegt es, ist mit mir etwas nicht in Ordnung?‘, das seien Fragen, die sich manche Studenten stellten, wenn sie nach mehreren Besichtigungen noch keine Wohnung gefunden hätten.“ (faz.net)
Damit die Beantwortung der Wohnungsfrage nicht in der Klapse endet, empfiehlt der VERSUS einen Schriftsteller aus dem 19ten Jahrhundert, der für die Wohnungsnot mittelloser (arbeitender als auch studierender) Stände einen politökonomischen Grund anzuführen wusste – und einen Weg, wie man sich diese vom Hals schafft. Für den ist die Wohnungsnot
„ein notwendiges Erzeugnis der bürgerlichen Gesellschaftsform (…) in der … der Hausbesitzer, in seiner Eigenschaft als Kapitalist, nicht nur das Recht, sondern, vermöge der Konkurrenz, auch gewissermaßen die Pflicht hat, aus seinem Hauseigentum rücksichtslos die höchsten Mietpreise herauszuschlagen. In einer solchen Gesellschaft ist die Wohnungsnot kein Zufall, sie ist eine notwendige Institution, sie kann mitsamt ihren Rückwirkungen auf die Gesundheit usw. nur beseitigt werden, wenn die ganze Gesellschaftsordnung, der sie entspringt, von Grund aus umgewälzt wird.“
(Friedrich Engels, Zur Wohnungsfrage, S.236; in: MEW Bd. 18, S. 209-287.)