2012 bekommt die EU den Friedensnobelpreis. Den Grund erläutert der Vorsitzende des Nobelkomitees, Thorbjørn Jagland, bei der Preisverleihung: Europa sei von einem Kontinent des Krieges zu einem Kontinent des Friedens geworden. Das sei keine Selbstverständlichkeit.
Das ist schon eine seltsame Leistung, für die die EU da geehrt wird: Krieg zu unterlassen. Dennoch wird mit diesem Lob der EU eine bemerkenswerte Auskunft über die Staaten gegeben, die sich in der EU zusammenschließen. Denn welche Staaten verdienen schon einen Preis dafür, dass sie im Umgang miteinander von Militäreinsätzen die Finger lassen und Abstand nehmen davon, dass sie einen ganzen Kontinent in Schutt und Asche legen? Nur Staaten, die praktisch bewiesen haben, dass sie im Interesse ihrer Macht über jede Menge Leichen gehen, die buchstäblich alles dafür getan und gegeben haben, die Macht der anderen zu zerstören und die eigene um die Potenzen der Verlierer zu vergrößern. Und nur bei Staaten, die nach wie vor große Ziele in der Weltpolitik verfolgen und ihre Nachbarn, auf deren Potenzen sie sich dafür angewiesen wissen, gleichzeitig mit aller Macht für die eigene Größe und die eigenen Ziele zu funktionalisieren suchen, nur bei denen ist es eine lobenswerte Leistung, dass sie letzteres schon geraume Zeit ohne kriegerischen Terror gegeneinander ins Werk setzen. EU-Präsident van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Barroso drücken auf ihre Art aus, für welche imperialistische Zwecksetzung sich die EU-Staaten zusammengeschlossenen haben. In ihrer Dankesrede heben sie hervor: „Unser europäisches Einigungsprojekt ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zu höheren Zielen. Es bringt das Streben nach einer kosmopolitischen Ordnung zum Ausdruck.“ Genau im Sinne dieses „höheren Ziels“ sorgen die einander friedlich verbundenen EU-Staaten seit geraumer Zeit für Ordnung mit Kriegseinsätzen von Afghanistan bis Mali.