„Hauptsache satt?“

„Hauptsache satt?“

In Kolumbien verhungern die Kaffeebauern, in Deutschland enthält der Salat mehr Nitrat als Vitamine, das Fleisch stinkt zum Himmel, und Millionen von -armen Schluckern ernähren sich schwerpunktmäßig mit den Billigprodukten der -Lebensmitteldiscounter. Schlimm, schlimm, das alles; und dabei müsste es gar nicht sein! Die Grüne Hochschulgruppe Tübingen klärt auf – die Studenten, per Flugblatt, in der Mensa:

„Hauptsache statt? Nein, denn jede kleine Kaufentscheidung ist in der Marktwirtschaft dein Votum für die Wirtschaftsweise in denen(?) das Produkt hergestellt wurde. Nutze diese Macht!“
„Bereits heute stammt z.B. 50% – 60% des Kaffees in den Cafeterien aus Fair-Trade. Diese Bemühungen brauchen aber deine Unterstützung!“

So einfach ist das also! Jeder Cent ist machtvoll und eine Tasse fairer Mensakaffee ändert „die Wirtschaftsweise“. Man muss eben nur wollen und glauben! Für Ungläubige, die die umstürzlerische Qualität korrekten Kaffeetrinkens schon wegen des geringen finanziellen Volumens der guten Tat bezweifeln, legen die Grünen nach: „In den letzten 30 Jahren hat der Anteil der Lebensmittel an den Lebenshaltungskosten in Deutschland von 40% auf nur noch 14% abgenommen! Es geht aber auch anders (na Gott sei Dank!): In Frankreich z.B. hat das Essen als Kulturwert einen viel höheren Stellenwert, dort werden 35% der Kosten für Lebensmittel verwendet. Gönnen wir uns also den „Luxus“, ein paar Prozent mehr auszugeben. Es lohnt sich!

Jetzt aber! Wir fragen uns nicht, woher dann BSE und sonstige Lebensmittelskandale in Frankreich kommen, sondern vernehmen die Botschaft: Wenn „wir“ Geringverdiener – und dazu zählen wir vereinfachend jetzt mal die Mehrzahl der Tübinger Studenten – 35% unseres Einkommens für Futter ausgeben, dann verhindern wir Dreck, Gift und Armut der Kaffee- und sonstiger Bauern. So herrlich ist die Marktwirtschaft! Wird ein bisschen knapp dann mit Miete und Klamotten, sorgt aber für verträgliche Produkte, die es sonst nicht gäbe. Und wenn wir uns diesen Luxus nicht gönnen können, dann ist klar, wer an der ganzen Scheiße schuld ist: der Markt jedenfalls nicht und schon gar nicht die nach ihm benannte Wirtschaftsweise, in der alles produziert und verkauft wird, was und weil es Gewinn bringt, sondern die Knickrigkeit der armen Figuren, die sich in dieser besten aller menschlichen Wirtschaftformen mit ein paar Kröten durchschlagen müssen.

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