Weltklimabericht:

Weltrettung kostengünstig möglich

Der nunmehr fünfte Sachstandsbericht des UN-Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) liegt vor. In ihm wird referiert und zusammengefasst, was die Forschung über Grund, Umfang und Folgen des Klimawandels vermeldet. Das Ergebnis ist nicht neu und nicht schön: Der durch Abgase induzierte Treibhauseffekt nimmt Fahrt auf, die Temperatur auf der Erde ist gestiegen. Auswirkungen werden auf allen Kontinenten und in allen Ozeanen festgestellt. Die Temperatur wird weiter steigen und zwar, wenn nicht schleunigst gegengesteuert wird, so deutlich, dass dramatische Folgen für Mensch und Natur zu erwarten sind. Und gegengesteuert wird, auch darauf verweist der Bericht, bei weitem nicht genug:

Eine der schlechtesten Nachrichten aus dem Dokument ist, dass die klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen nie zuvor stärker gestiegen sind als von 2000 bis 2010 … trotz der Klimaschutzpakete, die bereits in die Wege geleitet sind.“

Das Wachstum der Weltbevölkerung und vor allem das Wirtschaftswachstum sind Treiber dieser Entwicklung’, erklärte Ottmar Edenhofer, Potsdamer Klimaforscher und Co-Vorsitzender der zuständigen IPCC-Arbeitsgruppe bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. ‚Die Wachstumsdynamik zehrt die CO2 -Minderungen auf, die wir durch Klimaschutz erreicht haben‘, setzt er hinzu. Verstärkt werde dies durch eine Renaissance der Kohlekraft, die wieder wettbewerbsfähig geworden sei. (Stuttgarter Zeitung 14. April 2014)

Das Fortschreiten der CO2-Emission ist also „vor allem“ dem Wirtschaftswachstum geschuldet. Das verhindert, dass „wir“ mit unseren gemeinsamen (?) Bemühungen um Klimaschutz vorankommen. Was da wachsen soll und wächst, wenn die Marktwirtschaft Wachstumsdynamik entfaltet, ist Geld – das Bruttoinlandsprodukt, das überall jährlich größer werden soll, gibt, errechnet mit welcher Methode auch immer, die Geldvermehrung an. Im Wettbewerb, in dem CO2-Schleudern gerade wieder punkten, spielt deshalb neben nationaler Verfügbarkeit von und Kontrolle über Energie die Rendite, die Energieproduzenten und deren industrielle Abnehmer erzielen, die entscheidende Rolle. Wenn Unternehmen aus investiertem Geld beständig mehr Geld machen, dann wächst diese Wirtschaft und ausschließlich auf dieses Wachstum von geldwertem Reichtum kommt es Investoren und Wirtschaftspolitikern an. Was dafür nutzbar zu machen ist, geschieht, was dieser Reichtumsvermehrung nicht nützt, ist ökonomisch nicht zu rechtfertigen. Ersteres schließt die Nutzung der Atmosphäre als kostengünstige Abgasdeponie ein, Letzteres so manche Aufwendung zur Vermeidung von CO2-Emissionen aus. Dass sich in diesem Wirtschaftssystem alles, also auch die Rettung des Weltklimas, rechnen muss, ist den wissenschaftlichen Fachleuten von ICPP und der kommentierenden Presse selbstverständlich. Die abgegebene Klarstellung der desaströsen Entwicklung, die dieses Wirtschaftswachstum vorantreibt, ist keineswegs als Einwand gegen ebendieses Wachstum gemeint. Stattdessen wird betont, dass „ausreichender“ Klimaschutz mit weltweitem Geldverdienen zusammengehe:

Für die positivste Nachricht aus dem neuen Forschungsbericht fand Mitautor Ottmar Edenhofer bei der Pressekonferenz in Berlin saloppe Worte: ‚Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten‘, erklärte er. Zwar konnte der Ökonom nicht in Euro und Cent benennen, was es kosten würde, das Zweigradziel abzusichern, aber Größenrelationen lieferte er schon: Gehe man von einem durchschnittlichen Weltwirtschaftswachstum von zwei Prozent jährlich aus, sinke die Wachstumsrate durch ausreichende Klimamaßnahmen lediglich um 0,06 Punkte auf 1,94 Prozent. ‚Das liegt absolut im Rahmen‘, sagte er. Belastungen dieser Größenordnung seien vergleichbar mit Steuererhöhungen oder den Folgen einer Finanzkrise. Nicht nur für die Industrie-, sondern auch für die Schwellen- und Entwicklungsländer ist die Einschätzung wichtig, dass der Klimaschutz das Wachstum nicht zum Erliegen bringt.“(a.a.O.)

Fragt sich bloß, für wen das eine gute
Nachricht ist.

Der Politik jedenfalls, der die Rechnung als motivierende Entscheidungshilfe dienen soll, kommt es nicht auf das „durchschnittliche Weltwirtschaftwachstum“ an, sondern auf wirtschaftlichen Erfolg für den jeweils nationalen Standort. Der ist die Grundlage für Reichtum und Macht eines Staates und wird deshalb von ihm befördert. Darauf ist bei der Konkurrenz der Nationen zu achten, auch beim Zugriff auf und der Gewinnung von Energie. Die Energiewende zum weltmarktgängigen Erfolgsmodell für die eigene Nation zu gestalten, darauf kommt es da, wo sie in Angriff genommen wird, an. Und wo sich mehr nationales Wirtschaftswachstum von der Nutzung eigener Kohle- oder Ölvorkommen, von Atomkraft oder Fracking versprochen wird, da stehen erneuerbare Energien weit hinten auf der energiepolitischen Agenda. Ob und wie dabei natürliche Lebensgrundlagen zerstört werden, ist dabei schon dann allenfalls sekundär, wenn es sich um Teile des eigenen Staatsgebiets handelt. Für „den Planeten“ gilt das erst recht, vor allem, wenn die Zerstörung die Arktis, die afrikanischen Steppen oder sonstige unerhebliche Gegenden betrifft oder betreffen wird.

Für die Unternehmer bleibt, Klimakatastrophe hin, weltweite Wachstumsrate her, alles beim Alten. Sie investieren, um Gewinn zu machen, und zwar so viel wie möglich. Wenn sich, aufgrund energiepolitischer Vorgaben, mit Investition in „kohlestoffarme Verfahren“ (a.a.O.) weltweit Geschäft machen lässt, und zwar ebensoviel wie oder mehr als mit fossilen Energieträgern, dann lohnt sich die Investition und der Planet kann gerettet werden. Sonst nicht! So „effektiv“ ist die Marktwirtschaft durchaus.

Die sonstigen Bewohner des Planeten erfahren, dass ihr (Über)leben und ihre Lebensbedingungen dem Wirtschaftswachstum untergeordnet sind. Wie viel an klimamäßiger Rettung überhaupt geht und nötig ist, bemisst sich ganz selbstverständlich daran, ob sich der Aufwand für Klimaschutz wirtschaftlich rechnet. So gilt inzwischen eine Erderwärmung von 2° C als „global erträglich“, nicht etwa, weil dabei für Flora, Fauna und Menschheit keine Schäden anfallen, sondern weil weniger Treibhaus ohne „Kostenexplosion“ nicht zu bewerkstelligen wäre. Das „Zweigradziel“ wird nicht als Klimakatastrophe betrachtet, sondern als deren Abwendung, und es kann – vielleicht – erreicht werden, weil die Kosten dafür das globale Bruttosozialprodukt nur minimal beeinträchtigen.
Das ist keine gute Nachricht, sondern eine schlechte. Es heißt nämlich, dass im Kapitalismus sogar die Rettung der Welt ein Derivat des Geschäftserfolgs ist.

Weiterführende Lektüre:

GegenStandpunkt 2-07:
Menschheitskatastrophe Klimawandel
Was das Klima alles von „uns“ verlangt

GegenStandpunkt 1-14:
Nationale Energiewende mit globaler Perspektive
Imperialistische Konkurrenz um den Weltmarkt für erneuerbare Energie

http://www.gegenstandpunkt.com

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