Bericht und Kommentar zum Tarifstreit im öffentlichen Dienst
Bei der immer noch andauernden Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst wollen die Arbeitgeber längere Arbeitszeiten bei weniger Lohn durchsetzen, und das gleich exemplarisch als Vorreiter für alle Branchen des deutschen Wirtschaftsstandorts. Ihren geneigten Lesern, die in ihrer großen Mehrzahl real oder potentiell von diesem Ansatz zur Lösung einer entscheidenden Zukunftsaufgabe geschädigt werden, präsentiert die Süddeutsche Zeitung (vom 14. März) folgende Problematik als bedenkenswert:
„Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst hat ( … ) zum ersten großen Streit seit der Bundestagswahl zwischen den Ministerpräsidenten von Union und SPD geführt.“
Dass es in der großen Koalition „knirscht“ – die SPD ist für Schlichtung, die CDU dagegen – hält ein demokratisches Massenblatt allemal für bemerkenswerter als den Kampf um lumpige 18 Minuten täglicher Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. Dass dieser Tarifstreit, wie im Übrigen so ziemlich jeder anderer politische Streit im Lande, subsumiert ist unter die politischen Berechnungen und Kungeleien der Parteien, die um die Macht im Lande konkurrieren und in der Sache selbst meist nahe beieinander liegen, ist für Journalisten das Entscheidende an der ganzen Angelegenheit. Nie und nimmer kämen sie auf die Idee, dass diese Tatsache gegen die von ihnen hochgehaltene Demokratie spricht. Sie plagt vielmehr die Sorge, ob das Profilierungsstreben der demokratischen Machthaber nicht der Einigkeit in „unsrem“ schönen Gemeinwesen schaden könnte und deshalb übertrieben sei. Also mahnt der Kommentar:
„Man muss auf Biegen verhandeln und nicht auf Brechen. In einem heiklen Stadium des Tarifkonflikts – sechs Wochen Streik könnte sich im produzierenden Gewerbe keine Seite leisten – verspielen die öffentlichen Arbeitgeber ihre bisherigen Vorteile im Kampf um die öffentliche Meinung.“
Vielleicht wäre es ja vernünftig, wenn die „öffentliche Meinung“ ihre verständnisvolle Sorge um die Hüter der öffentlichen Kassen ad acta legen würde. Schließlich schmälern deren Sparmaßnahmen den Lebensunterhalt aller, die daraus Bezüge irgendwelcher Art erhalten. Eine derartige Sichtweise würde ein guter Journalist seinem Publikum niemals empfehlen. Er lenkt dessen Blick stattdessen auf staatorganisatorisch Höheres:
„Die Verhandlungsstrategie des CDU-Ministers Möllring führt in letzter Konsequenz zum Auseinanderfallen des öffentlichen Dienstes in Deutschland – eine Gefahr, die durch die geplante Kompetenzverlagerung im Beamtenrecht auf die Länder (wie das die Föderalismusreform vorsieht) noch größer wird.“
Ein aufgeklärter Staatsbürger hat sich um die Einheit innerhalb der deutschen Nation und ihre föderale Organisation allemal mehr Sorgen zu machen, als um seinen profanen Geldbeutel. Der ist nämlich gar nicht das Entscheidende am Streik im öffentlichen Dienst, sondern die föderale Verfassung der BRD. Und wenn man es so sieht, dann kann auch bei Gehaltskürzung und Mehrarbeit alles gut werden:
„Dem inneren Frieden im Lande wird das nicht gut tun. Es ist also Zeit für eine Schlichtung im aktuellen Tarifkonflikt – und es ist auch noch Zeit dafür, die Fehler der Föderalismusreform zu korrigieren.“
Na also!