Trump sagt den Klimawandel ab

„America first!“ in Aktion – und die ersten Wirkungen (I)

Der neue Leitfaden für die globale Energiepolitik

Mehr als ein halbes Jahr nach dem Wahlsieg und Amtsantritt Donald Trumps steht fest: Die von den ostatlantischen Freunden transatlantischer Freundschaft und kundigen Anhängern demokratischer Werte zunächst gehegten Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, dass Trumps Ankündigungen einer außenpolitischen Wende für die USA sich nach der Wahl als der übliche, zwecks Wahlkampf verlogen aufgebaute Schein entpuppen, dem Wähler würden irgendwelche wirklichen Alternativen zur Entscheidung vorgelegt. Ihre Erwartungen, die rechtsstaatlichen Institutionen, das demokratische Machtgeschacher und überhaupt die realpolitischen Sachzwänge würden schon gründlich dafür sorgen, dass in Amerika im Wesentlichen weiter so Politik gemacht wird, wie wir sie brauchen und wollen, und nicht etwa so, wie man einer patriotisch aufgescheuchten Wählerschaft sie als Forderung in den Mund gelegt hat, haben sich in Luft aufgelöst. Der Neue meint es ernst, und er macht Ernst mit seinem Standpunkt America first![1]Endgültig durchgesetzt hat sich diese Erkenntnis, als Trump offiziell erklärt hat, den Klimaschutz-Vertrag von Paris zu kündigen.

1.

Die offizielle Absage der USA an den Pariser Vertrag [2] hat die ums Klima besorgten Anhänger dieser diplomatischen Menschheitserrungenschaft schwer empört. Und wie es sich gehört, ist die Verurteilung des amerikanischen Schritts als Verbrechen gegen das Klima und die Menschheit nahtlos ergänzt worden um – je nachdem: ehrliche oder geheuchelte – Sorgen dahingehend, dass Trump sein geliebtes Amerika samt dessen Sonderrolle als Weltführungsmacht entscheidend und nachhaltig beschädigt, die Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit amerikanischer Weltpolitik untergraben und die USA in Richtung Isolation gelenkt habe. Vom Abkommen selbst, das auch von seinen Befürwortern, gerade den ehrlichen Eisbär- und Maledivenfans, vorher als eher schaler Kompromiss, als keinesfalls ausreichender erster Schritt etc. besprochen wurde, ist dabei alles Mangelhafte abgefallen, und übriggeblieben ist das über jede Kritik erhabene, erste große Opfer des nationalistischen US-Führers.

a) Trump wiederum sieht die Opferrolle ganz bei Amerika; seine diversen Stellungnahmen malen diese nicht nur in der für ihn typischen Manier aus, sondern geben auf diese Weise zugleich Auskunft darüber, von welchem Standpunkt aus er seine Anklagen gegen den Vertrag von Paris erhebt und warum dieser Standpunkt vom Streit um ‚Fakten‘ und ‚alternative Fakten‘ nicht zu erschüttern ist.

Für Trump ist „Paris“ der prominenteste Fall, geradezu der Inbegriff dessen, was er seinen diversen Vorgängern, insbesondere der Administration unter Obama als bad deals zur Last legt: Ausgangs- und Endpunkt aller seiner Anwürfe ist die feste Überzeugung, dass dieser Vertrag – als Höhepunkt einer gänzlich verfehlten Umwelt- und Energiepolitik – Millionen Arbeitsplätze vernichten würde, und die sind nun einmal das Glück des Amerikaners und der eigentliche Reichtum Amerikas, überhaupt und im Bereich der Förderung von Energieträgern und der Energieerzeugung ganz besonders: Deren Arbeiter mit ihren schönen Knochenjobs verkörpern das Können, die Entschlossenheit und den Mut, der schon immer die wahre Quelle der amerikanischen Stärke war. Sie sind großartige Leute. Sie brechen durch Felswände, dringen in die Tiefen der Erde und des Meeres, um die ganze Energie in unsere Häuser und die Wirtschaft und in unser Leben zu bringen.  [3] Vor allem verkörpern sie also die Einheit von privatem Lebensunterhalt der jobbenden Amerikaner und dem Dienst, den sie der Nation in Sachen Versorgung mit Energie als Grundlage für alle vorstellbaren privaten und geschäftlichen Zwecke leisten. Insbesondere letztere würden an „Paris“ leiden, woraus sich überhaupt der Zusammenhang zu den sagenhaften jobs ergibt: Die sollten ja bekanntlich nicht per internationalem Vertrag abgeschafft werden, sondern würden – bei Wirksamwerden der Pariser Bestimmungen – notgedrungen der Kalkulation der Führer unserer großartigen Energiekonzerne zum Opfer fallen. Denn diese Branche – great industry – würde durch die Exekution der Vertragsbestimmungen die ihr zustehenden Gewinne wegen unsäglicher Konkurrenzverzerrungen an die eigentlich unterlegene, aber seit eh und je schon unfairerweise bevorteilte Konkurrenz verlieren. Zu allen absurden und verbrecherischen selbstauferlegten Beschränkungen bei der Erschließung amerikanischer Energieressourcen, die darum absurd sind, weil sie Beschränkungen sind, kämen neue hinzu, denen Trump schlicht von den von ihm vorausgesagten Wirkungen her ansieht, dass die Beschädigung und Verhinderung gerechter amerikanischer Konkurrenzerfolge durch auswärtige Staaten ihr eigentlicher Zweck ist. Und damit ist klar, was mit dem Pariser Abkommen eigentlich auf dem Tisch liegt: die multinationale Aufforderung an die USA, sich ausgerechnet im Bereich der Energieressourcen per Unterschrift ihrer Souveränität zu begeben, sich mehr als bisher Fesseln bei der Ausbeutung des eigenen fossilen Reichtums anzulegen, die jahrzehntelange Verwundbarkeit durch die Energieabhängigkeit von auswärtigen Regimes fortzuschreiben und obendrein mit Milliarden Dollars des amerikanischen Steuerzahlers die Staaten zu unterstützen, die unter dem Firmenschild „Entwicklungsland“ firmieren, an der CO2-Front machen dürfen, was sie wollen und die Welt mit den Energieträgern beliefern, die zu fördern und zu verkaufen den USA verboten wird – und das alles unter dem Titel der „Klimarettung“, von der jeder und jedenfalls Trump weiß, dass sie bloß ein Vorwand für eben diese Verschwörung gegen Amerika ist.

Schon aus diesen Beschimpfungen des Pariser Abkommens geht hervor, dass der von Trump im Wahlkampf angekündigte und nun vollzogene Ausstieg aus dieser multinationalen Rettungsgroßtat für Klima und Menschheit nur ein Teil der von ihm projektierten Energiewende ist, die ein entscheidender Schauplatz für sein America first! werden soll; passend dazu seine Pläne zur Entfesselung der amerikanischen Energieproduktion.

b) Die versteht der amerikanische Präsident, wie überhaupt seine Präsidentschaft, als Rückübereignung Amerikas an die Amerikaner: Dieser unermessliche Energiereichtum gehört nicht der Regierung. Er gehört dem Volk der Vereinigten Staaten von Amerika. Wie das fossile Volkseigentum dieser seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen sei, ist für den Volkstribun Trump ebenso wenig eine Frage wie das operative ‚Wofür‘.

Erstens nämlich dadurch, dass er sich, stellvertretend für das Volk, ganz entschieden auf den Standpunkt stellt, dass diese Ressourcen reichlich vorhanden sind und nur noch darauf warten, ausgebeutet zu werden. Amerika ist riesig und groß und schön – und also sind es auch die amerikanischen Energieträger: Von denen weiß Trump, dass sie allesamt unermesslich und kolossal sind; die amerikanische Steinkohle verdient sich bei ihm auch noch das Attribut beautiful – wahrscheinlich weil die Demokratische Partei seinem Wissen zufolge gegen sie einen jahrelangen Krieg geführt hat. Aus der Perspektive dieser fixen Idee, dass Amerika eigentlich allen Reichtum und alle – auch energetischen – Reichtumsgrundlagen hat, um auf jedem Feld gegen jeden Konkurrenten zu bestehen, nimmt sich das ewige Gerede von der Endlichkeit v.a. der fossilen Ressourcen aus wie eine fixe Idee: Dass die Energieressourcen zu knapp dafür wären, unser Volk zu versorgen, ist Trumps national-geologischer Expertise gemäß a beautiful myth – den das Establishment gepflegt hat, um mit diesem fake seine regulatorischen Fesseln zu rechtfertigen, mit denen es verhindert hat, dass tüchtige amerikanische Unternehmer ihre tüchtigen Arbeiter die aus Kohle, Öl, Uran … gewonnene Energie dem amerikanischen Standort und in diesem Zuge ihren Unternehmen wachsende Gewinne zukommen lassen.

Zweitens also heißt Wiederaneignung des nationalen Energiereichtums, alle gesetzlichen Regelungen für das profitträchtige Geschäft mit der Förderung und Verarbeitung von Energieträgern abzuschaffen, in denen Trump nur Fesseln entdeckt. Das betrifft im Prinzip alle Auflagen – sowohl diejenigen aus dem Geist eines falschen Umweltschutzes als auch Beschränkungen für den Export von amerikanischen Energieträgern zwecks Schonung der angeblich knappen Ressourcen; gelockerte oder gänzlich aufgehobene Restriktionen betreffen Öl- und Gasförderung, Kohleabbau, riesige Pipelineprojekte, eine Initiative zur kompletten Neuausrichtung der Nuklearenergiepolitik, neue Exportlizenzen… Das alles zusammen verrät immerhin einiges über die wirklichen Dimensionen und Erfolgskriterien von Trumps volksfreundlicher Energiepolitik: Als Grundlage und bedeutenden Bestandteil seines Programms, den amerikanischen Industriestandort gegen alle internationalen Konkurrenten wieder zur in Exportbilanzen und Arbeitsplätzen gemessenen Substanz amerikanischer Einzigartigkeit in der Welt zu machen, verlangt Trump nicht weniger als Energieunabhängigkeit. Den Konkurrenzkampf um nationales Wachstum, den er dem Rest der Welt ansagt, hält er offensichtlich selbst für so unerbittlich, die Freiheit, die er für das amerikanische Auftrumpfen gegen alle anderen verlangt, fasst er so unbedingt, dass ihm die Perspektive, dabei auf Energieträger aus dem Ausland angewiesen zu sein, schlicht unerträglich erscheint. Von daher kommen ihm die Jahrzehnte amerikanischer Bewirtschaftung des Weltenergiemarkts folgerichtig wie ein langer vergeblicher, wenn nicht sträflich unterlassener Kampf um die Unabhängigkeit von diesem Markt vor. Die soll nun endlich erreicht werden. Und zwar in der einzig möglichen Fassung: Die Gleichung zwischen nationalem Nutzen Amerikas und den kapitalistischen Profiten, die amerikanische Unternehmen nicht nur besser als alle anderen in der Welt, sondern darum vor allem auch am Rest der Welt verdienen, gilt programmgemäß auch und erst recht im Energiesektor.

Drittens heißt die Rückeroberung der freien Verfügung über amerikanischen Energiereichtum fürs amerikanische Volk also nicht nur amerikanische Energieunabhängigkeit, nach der wir uns so lange sehnten, sondern amerikanische Energiedominanz. Auch auf diesem Feld der kapitalistischen Produktion von und Konkurrenz mit stofflichem Reichtum will Trump keine Abkehr von der ‚Einbindung‘ des amerikanischen Standorts in den Weltmarkt, sondern die Neueroberung des Weltmarkts vom US-Standort aus. Dafür setzt er seiner Nation zur Aufgabe und kündigt er dem Rest der Welt an, dass die USA sich unter seiner Führung nicht einfach um ein paar mehr Anteile des auf dem Weltenergiemarkt zu verdienenden Geldreichtums bemühen, sondern dass sie ab sofort in neuer Weise als der Macher dieses Marktes auftreten werden. Wir werden die amerikanische Energie in die ganze Welt, rund um den Globus exportieren – und wenn diese Welt mit ihrem verfallenden Ölpreis, mit dem subventionierten Verdrängungswettbewerb auf dem Kohlesektor, gewissen ruinösen Formen der Konkurrenz im Bereich der Produktion von erneuerbaren Energien samt den dazu gehörenden Phänomenen der ‚Marktbereinigung‘ bei den Herstellern von Solarpaneelen und Windkrafträdern … darauf nicht gerade noch gewartet hat, so heißt das für Trumps Pläne nur eines: Amerika muss seine überragende Macht dafür einsetzen, den Weltenergiemarkt so umzukrempeln, wie es nötig ist. Es muss und wird also vor allem den staatlichen Agenten der globalisierten Energieproduktion und -vermarktung beibringen, dass Weltenergiemarkt ab sofort heißt, dass der komplett von dem durch Trump vertretenen amerikanischen Anspruch her gestaltet wird – was die Energieträger, die Energielieferanten, die Lieferwege und die Abnehmer anbelangt. Wie sehr Trump seine Pläne selber als Kampfprogramm versteht, hat er unter anderem an der von ihm genehmigten Pipeline nach Mexiko deutlich gemacht, die die amerikanischen Energieexporte noch weiter steigern und dabei direkt unter der Mauer verlaufen wird. Pipeline und Mauer – das sind für ihn die keiner Beschönigung bedürfenden beiden Seiten amerikanischer Dominanz gegenüber einem unterlegenen Konkurrenten, der sich von den USA diktieren zu lassen hat, was die fairen Mittel und Bedingungen der Konkurrenz sind, die Amerika fairerweise, nämlich durch die an nichts relativierte Ausnutzung seiner ganzen Überlegenheit, gewinnt.

Dass nicht nur so, sondern genauso andersherum die Energiefrage eine Frage der nationalen Stärke ist, weiß Trump natürlich ebenso. Für Amerika sowieso, aber auch für alle anderen Staaten kennt der Weltpolitiker Trump nicht nur die Stärke der Nation als Mittel der Durchsetzung auf dem entscheidenden Feld des Geschäfts mit Öl, Gas, Kohle etc., sondern umgekehrt Energie als eine entscheidende Grundlage nationaler Stärke – also als Waffe. Viertens verkündet er darum den gezielten Einsatz der anvisierten neuartigen Energiedominanz der USA als Mittel für die Auseinandersetzungen, die seine Nation jetzt oder in Zukunft auszutragen hat und an denen sich die Welt in Freunde, Partner, Alliierte und die vielen anderen zerlegt: Diese Energieexporte werden … unseren Freunden, Partnern und Alliierten rund um den Globus echte Energiesicherheit bringen.

*

So schlau und patriotisch waren die amerikanischen Präsidenten der letzten vier bis sieben Jahrzehnte allerdings auch. Und so mag zwar Trump am Weltmarkt für Energie mit seinen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, den er vorfindet, nur die empörende ökonomische Benachteiligung amerikanischer Konzerne und die erschreckende strategische Verwundbarkeit der von auswärtiger Energie abhängigen amerikanischen Macht als Werk selbstvergessener US-Regierungen und fieser Konkurrenten und Feinde erkennen – die Wahrheit über dieses entscheidende Feld globalisierter Ökonomie und moderner Völkerfreundschaft ist das nicht: Noch keine amerikanische Administration hat es versäumt, sich mit der überlegenen Macht von US-Dollar und US-Militär auf diesem Feld global um den ökonomischen Nutzen der USA und die strategische Absicherung seiner Bedingungen zu kümmern. Trumps Energie-Aufbruchsprogramm richtet sich in der Sache gegen das so elaborierte wie widersprüchliche Produkt dieser jahrzehntelangen Politik. Das verleiht ihm – noch vor allen Erfolgs- oder Misserfolgsmeldungen bei der Umsetzung – seine imperialistische Bedeutung.

2.

a) Trumps dramatisch negative Beschwörungen misslungener amerikanischer Energiepolitik vergangener Jahrzehnte wie seine euphorischen Beschwörungen für die amerikanische Energie-Zukunft unter seiner Herrschaft – Die goldene Ära der amerikanischen Energie hat nun begonnen. Und ich gehe noch weiter. Die goldene Ära Amerikas hat nun begonnen. – haben ihren sachlichen Kern in der tatsächlich besonderen Rolle der Ware Energie für den amerikanischen – wie für jeden anderen nationalen – Kapitalismus. Ohne künstlich verfügbar gemachte Energie läuft nichts in den industriell wirtschaftenden Gesellschaften: Weder die auf wachsenden Output ausgelegten Produktionseinrichtungen, noch die auf 24/7-Betrieb getrimmten Dienstleistungsbranchen, noch das moderne Privatleben oder die modernen Staatsmächte selber mit ihren riesigen Apparaten funktionieren ohne diese physische Grundlage, die darum immer bereitgestellt sein will. Wobei die durch nichts zu ersetzende technische Rolle der Energie für den materiellen Lebensprozess überhaupt nichts daran ändert, dass ‚Bereitstellung‘ auch bei dieser Ware bedeutet, dass sie den an ihr warum auch immer Interessierten verkauft wird, und zwar zu einem Preis, der sich für die Hersteller und Verkäufer lohnt. Diese Doppelrolle der Energie, allgemeine Lebens- und Geschäftsbedingung und darin zugleich das Geschäftsmittel der Energieanbieter zu sein, macht sich nationalökonomisch so geltend, dass der Preis dieser Ware in den jeder anderen Ware und Dienstleistung eingeht; er bestimmt (mit) über die nötigen Kapitalgrößen fürs Produzieren, Transportieren, Kommunizieren, über die auf diesen Feldern zu erzielenden Profitraten, die internen wie die zwischennationalen Zahlungsströme und -bilanzen und ist damit ein wesentliches Bestimmungsmoment für die Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Standorts.

Für jeden interessierten staatlichen Hüter stellt sich daher die Aufgabe, diesen Widerspruch standortdienlich zu dirigieren, also die Versorgung mit dem Stoff Energie in dieser Doppelrolle als allgemeine Geschäftsbedingung und lohnende Geschäftssphäre zu organisieren: Kein Geschäft soll am Versorgungsmangel oder unbezahlbaren Preisen leiden, also muss Energie sicher, reichlich, wachsend und zu einem Preis her, der das alles insgesamt lohnend macht und für die Energieproduzenten zugleich lohnend ist. Also hat jeder moderne Staat sein Energieministerium, das Förderung, Transport, Verarbeitung der Primärenergieträger dirigiert; jede kapitalistische Nation hat in der nationalen Energieproduktion eine nationale Schlüsselindustrie, die staatlich umsorgt, mitunter gleich staatlich betrieben wird; der Anteil dieser Branche an der Verpestung, Verstrahlung oder den sonstigen Formen der Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen und dem Verschleiß der arbeitenden Leute gehört in jeder dieser Nationen zu den Unkosten des zivilisatorischen Fortschritts. Und doch hat das alles, bloß wegen gewisser erdgeschichtlicher Ungerechtigkeiten, nie gereicht: Die natürliche Ausstattung der nationalen Standorte mit technisch nutzbaren Primärenergieträgern hat schlicht nichts mit ihrem kapitalistischen Wachstumsbedarf zu tun, und so haben sich gerade die kapitalistisch am meisten entwickelten Standorte seit jeher darum bemüht, ihrem nationalen Unternehmertum auch die Energieträger zugänglich zu machen, die außerhalb des eigenen Territoriums, also innerhalb des Territoriums fremder Souveräne, ihrer nationalökonomischen Bestimmung harren.[4]

b) Energiepolitik ist daher für moderne kapitalistische Staaten immer auch Außenpolitik; bzw. umgekehrt: Neuzeitliche Außenpolitiker haben im prinzipiell schrankenlosen Energiebedarf ihrer Nationen, in der Prospektion und Herrichtung der Welt für diesen Bedarf einen wichtigen Punkt ihrer internationalen Agenda. Auch dafür hat die kapitalistische Weltmacht USA Maßstäbe gesetzt.

Die von den USA betriebene Herrichtung des Globus zur frei zugänglichen Verfügungsmasse des Kapitals hat die Abteilung Energie ihrem besonderen Stellenwert entsprechend von Anfang an eingeschlossen. In der periodisch bejammerten und nun von Trump endgültig für untragbar erklärten Abhängigkeit von ausländischen Energieträgern, insbesondere von Öl und Gas, haben sich die USA nämlich nicht einfach irgendwann befunden, sie haben sie hergestellt und ausgestaltet. Und zwar gemäß der Logik, nach der sie überhaupt ihren Nutzen als Prinzip verankert haben, nach dem der Rest der von ihnen dominierten Freien Welt zu funktionieren hat: Amerika hat sich darum gekümmert, dass die Energieressourcen als verkäufliches Gut auf einem Weltenergiemarkt denen zur Verfügung stehen, die dafür zahlen, weil sie damit etwas kapitalistisch Nützliches anfangen können – unter der Prämisse, dass amerikanische Energiekonzerne und damit der Rest des nationalen Standorts davon vor allen anderen profitieren und so den nationalen amerikanischen Ertrag einspielen, auf den es ankommt. Ihre Gewalt haben die USA nicht für das eine oder andere Öl- oder Gasfeld, hier eine Kohlegrube oder dort eine Uranerzmine eingesetzt, sondern dafür, dass alle national souveränen Herren darüber sich in die Einsicht fügen, dass ihr Nutzen aus diesen feinen Sachen darin besteht, sie gegen gutes Geld den kapitalistischen Nachfragern zu verkaufen. Unter dieser entscheidenden Auflage durften sie sich darum bemühen, daraus die ökonomischen Mittel ihrer staatlichen Macht zu gewinnen. Und das ging immerhin so weit, dass die USA auch die Nationalisierung westlicher Besitztümer an Ölfeldern und Förderanlagen hingenommen haben, sofern sichergestellt war, dass etwas anderes als eine Umverteilung der Ölrente zugunsten von arabischen Scheichs, Königen oder Militärdiktatoren daraus nicht folgen würde. Dafür haben sie nicht zuletzt auch dadurch gesorgt, dass diese Ölsouveräne sich mit den verdienten Petrodollars bei ihren Rüstungs-, Bau- und sonstigen Unternehmen mit all dem eindecken konnten, was sie an Mitteln zur Sicherung und standesgemäßen Repräsentation ihrer für den amerikanischen Bedarf so nützlichen Souveränität brauchten. Letzter historischer Höhepunkt dieser Praxis der USA, nicht nur einzelne Staaten, sondern ganze Staatenregionen in ihre Rolle innerhalb des globalen Geschäfts mit der Energie für die kapitalistischen Metropolen einzuweisen und darin anzuerkennen, war der amerikanische Umgang mit der Erbmasse der UdSSR.[5] Sowohl der russische Rumpf als auch die ölreichen zentralasiatischen Glieder des kaputten sowjetischen Ex-Feindes sind von den USA so angegangen worden, dass die ihre Beteiligung am nunmehr komplett globalen Kapitalismus im Wesentlichen als Öl- und Gasausstatter oder – je nachdem – auch nur als -transporteure zu begreifen haben, die ihre Territorien westlichen, also insbesondere amerikanischen Konzernen zur Prospektion und Ausbeutung feilbieten. Lehrbuchmäßig haben amerikanische Politiker daraus ganz viel Kontroll- und strategischen Eingriffsbedarf entwickelt, damit die verlangte Selbstdefinition dieser neuen Liefer- und Transitländer als unbedingt auf Dollar angewiesene Anhängsel des fertigen Weltmarkts nicht unter irgendwelchen nationalen Ambitionen leidet, die mit dieser Rolle nicht vereinbar sind.

Dieses imperialistische Prinzip, sich als Garantiemacht der Ordnung des Weltmarktes aufzuführen, um den als überlegener Konkurrent auszunutzen, haben die USA so konsequent verfolgt, dass sie neben dem globalen Energieangebot auch den Energiebedarf der auf den Weltmarkt als alternativloses nationales Lebensmittel verpflichteten Staaten anerkannt und zum Objekt ihrer Begutachtung und Betreuung gemacht haben. Ganz grundsätzlich dadurch, dass die Verpflichtung der über die maßgeblichen ‚natürlichen Energieressourcen‘ verfügenden Souveräne auf Öffnung für ausländischen Zugriff ja tatsächlich nicht auf exklusiven amerikanischen Zugriff gerichtet war, sondern jeden zahlungsfähigen bzw. investitionsstarken Interessenten beteiligen sollte – mit der selbstverständlichen Unterstellung, dass die einschlägigen amerikanischen Öl- und sonstigen Energiekonzerne auf der Angebotsseite und der gigantische amerikanische Standort auf der Nachfrageseite als die fraglos dominierenden Akteure diesen Markt im Sinne ihrer dauerhaften Überlegenheit ausnutzen und gestalten. Ihre westlichen Partner – auf dem Felde der ökonomischen Ausnutzung des Weltmarkts immerhin die schärfsten Konkurrenten – haben sie zugleich zu Alliierten in der strategischen Kontrolle der Welt und ihrer Energieressourcen, als kollektivem Besitzstand ‚des Westens‘, gemacht; die von der Weltbank und anderen Institutionen betreuten ‚Entwicklungsländer‘ durften sich so manchen großzügig finanzierten Staudamm- oder Kraftwerksprojekts erfreuen. Und der unter den großen und weniger großen Nationen der Welt weit verbreitete Hang zur Beschaffung nuklearer Potenzen ist im „Vertrag über die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen“ (NPT) ganz offiziell in einen zu ächtenden militärischen Bedarf und eine ausdrücklich erlaubte zivile Komponente geschieden worden, zu deren geregelter und überwachter Entwicklung es auch eine eigene internationale Atomenergiebehörde, Nuklearenergiegipfel usw. gab und weiterhin gibt.

Die USA beanspruchten und praktizierten also auf beiden Seiten des globalen Energiemarktes nicht ein Monopol, sondern waren in jeder Hinsicht, als Anbieter, Nachfrager, Organisator und Garant, das bestimmende Subjekt dieses entscheidenden strategischen Marktes.

Zur Zufriedenheit der USA hat diese Energieabteilung ihrer Weltmarktordnung nie einfach so und seit geraumer Zeit immer weniger funktioniert. In den arabischen Ölstaaten ist zwar die Idee einer mit Petrodollars bezahlten, irgendwie anti-imperialistischen, volksfreundlich-sozialistischen Staatsmacht ausgestorben, und die nicht von selbst außer Verkehr gezogenen Projekte nationaler Emanzipation haben die USA bei passender Gelegenheit auch per Krieg gegen den Irak und Libyen selber zerstört; aber an ihre Stelle getreten sind staatlicher Zerfall bei den einen, ein bedenklicher Ehrgeiz, etwas anderes und besseres als Ölquelle mit viel oder wenig Volk zu werden, bei den anderen; die persischen Amerikafeinde bestehen derweil auf ihrer Autonomie in Sachen Nuklearenergie; Russland finanziert seine erneuerte strategische Konkurrenz gegen Amerika und seine westlichen Partner vor allem mit seinen Öl- und Gasexporten; und die kapitalistischen Konkurrenten in Europa, inzwischen auch in Asien, suchen nach Wegen und Mitteln, ihre Abhängigkeit von der amerikanischen Garantiemacht für die Freiheit und Verlässlichkeit der globalen Energieströme zu relativieren – zum einen mit ausdrücklich gegen die amerikanische ‚Unipolarität‘ gerichteten alternativen Energieallianzen, zum anderen aber mit Initiativen, nationalen Energiewenden etc., die perspektivisch die Notwendigkeit des Zugriffs auf auswärtige Energieträger durch Technologien der Nutzbarmachung unbegrenzt und frei zur Verfügung stehender Energieformen wie Sonnenstrahlung, Wind etc. ersetzen sollen.

Gerade in Bezug auf diese letztgenannten Versuche konkurrierender kapitalistischer Standorte, den überkommenen, überwiegend fossilen Weltenergiemarkt und die mit diesem verbundenen Statuszuweisungen und Abhängigkeiten zu überwinden, haben die USA unter Obama noch einmal den Versuch unternommen, ihren Anspruch auf die Position des überlegenen Profiteurs eines Weltenergiemarkts, in dem sie zugleich die entscheidende Rolle als Regelsetzer und Ordnungsmacht spielen, zu erneuern. Auf das unter dem moralischen Ehrentitel der Klimarettung verhandelte Machwerk von Paris haben sie sich nicht einfach einlassen, sondern ihm den amerikanischen Stempel aufdrücken, also der Konkurrenz der Nationen um profitable Energieproduktion ihre Bedingungen setzen wollen: die von allen anzuerkennenden Rahmenbedingungen für den Wettbewerb darum, welche Nationen die technologische Führungsrolle bei den ‚Energien der Zukunft‘ erobern und die entsprechenden ‚Zukunftsmärkte‘ für sich besetzen und profitabel ausnutzen können. Obama hat sich, ganz in der Logik der jahrzehntelang gepflegten amerikanischen Paten- und Gewinnerrolle, auf den Standpunkt gestellt, dass Amerika diesen ‚Trend‘ weder verhindern kann noch soll, sondern ausnutzen muss, indem es sich an dessen Spitze stellt, ihm die entscheidenden regulatorischen Vorgaben verpasst, um dann mit der ganzen Überlegenheit amerikanischer Technologie und amerikanischen Kredits diese neue Konkurrenz zu gewinnen.

c) Diese ganze Art, Weltpolitik und eben auch Weltenergiepolitik zu machen, räumt Trump jetzt ab. Den für die USA tatsächlich widersprüchlichen Resultaten von sieben Jahrzehnten strategischer Weltenergiepolitik entnimmt er die Notwendigkeit, jede Rücksicht auf die konzedierten Interessen und existenziellen Abhängigkeiten anderer fahren zu lassen und die Welt nicht auf ein übergeordnetes Prinzip samt untergeordneten Regeln, sondern unmittelbar auf amerikanisches Interesse zu verpflichten. Unter seiner Führung werden die USA nicht mehr positiv an den Energiebedarfslagen von anderen Staaten anknüpfen, die sie denen konzediert und mit Regeln und Bedingungen versehen haben, sondern Trump hat vor, den Energiebedarf der Welt zu okkupieren: ihn einseitig auf die USA und ihr Interesse auszurichten, so wie er es definiert: der Welt die amerikanischen Energieträger aufs Auge zu drücken. Wo dem bestehende Lieferbeziehungen oder gar strategische Energieallianzen im Wege stehen, stehen die damit auf der Abschussliste: als Verbrechen gegen das Menschenrecht auf amerikanisches Schiefergas oder schöne amerikanische Kohle. Und das gilt naturgemäß vor allem da, wo Trumps Amerika generell zu dem Befund anti-amerikanischen Konkurrenzgebarens gekommen ist, das es nicht mehr aushalten will, also beenden wird. Einen von dem so verfassten Interesse an der Welt und ihren Energiefragen getrennten, höheren Gesichtspunkt des Funktionierens der globalen Energieflüsse, um das es sich kümmern müsste, kennt Amerika unter Trump nicht mehr. Das zeigt sich nicht zuletzt am Umgang der neuen US-Administration mit dem Konflikt zwischen dem größten Öllieferanten der Welt Saudi-Arabien und dem weltgrößten Lieferanten von verflüssigtem Erdgas (liquefied natural gas – LNG) Qatar: Noch unter Obama – als die USA schon längst nicht mehr von arabischem Öl und Gas abhängig waren – ist die Golfregion nicht zuletzt mit dem Verweis auf ihre bleibende Bedeutung für die ‚Energieversorgung der Welt‘ für wichtig erklärt und ihre ‚Stabilität‘ als strategisches Anliegen Amerikas behandelt worden. Unter Trump definiert die US-Administration den bis an den Rand gewalttätiger Auseinandersetzungen geratenen Konflikt zwischen den beiden Petro-Monarchien nur sehr bedingt als Problem, das Amerika mit den beiden aneinander geratenen, ambitionierten Mächten hat, die ja über ihre Rolle für den Öl- bzw. Gasmarkt hinaus auch als militärisch-strategische Verbündete Amerikas von Bedeutung sind. Dass Saudi-Arabien ein regional-strategisch bedeutender Posten im ‚Kampf gegen den Terrorismus‘ und – was für Trump dasselbe ist – gegen den Iran ist, dass Qatar den Stützpunkt der amerikanischen Flotte im Persischen Golf beherbergt, das ist der amerikanischen Politik keinen auf diese strategische Bedeutung hin angelegten Einspruch wert, der wirklich machtvoll auf Beendigung des Zwists abzielt, sondern lediglich eine nicht sehr eindeutige Beschwichtigungs-Diplomatie. Und die wird – was die zuständigen Regierungsvertreter auch genüsslich breittreten – davon begleitet, dass amerikanische Anbieter von LNG die Lieferungen, auch in den Mittleren Osten selbst, ersetzen, zu denen Qatar wegen der Blockade seitens der anderen arabischen Golfmonarchien nun nicht mehr in der Lage ist. Auch sonst stellt sich Amerika nun zu internationalen Gegensätzen und Konflikten weniger als Ordnungsfällen, die es unbedingt von oben herab zu administrieren hat, denn als Gelegenheiten, die es auszunutzen gilt: Jede Unzufriedenheit, erst recht jede akute Notlage an der Energiefront, benutzen die USA dafür, sich als Alternative ins Spiel zu bringen, die nicht nur besser, sondern unabweisbar ist. Weltenergiemarkt – das ist für die neue Linie Amerikas nicht mehr und nicht weniger als die Summe von einseitig auf die USA ausgerichteten, für diese unbedingt profitablen, für die jeweils anderen möglichst alternativlosen Energie-Deals, mit denen sich die Freunde, Partner und Alliierten dann auch in, je nach amerikanischem Bedarf ausnutzbare, weitergehende strategische Abhängigkeitsverhältnisse verstricken lassen.

Ein Musterfall der besonders drastischen Art ist das EU-Mitglied Polen, das der US-Präsident unmittelbar vor dem Hamburger G20-Gipfel mit einem Staatsbesuch in Warschau und einem Auftritt vor dem Gipfel der dort zum Trump-Empfang versammelten mittel-osteuropäischen Staats- und Regierungschefs beehrt.

[1] Dazu, wie sich dieser Standpunkt von Trump im Verhältnis nach innen, also zu dem amerikanischen Volk, sowie nach außen buchstabiert, siehe auch die vorige Ausgabe dieser Zeitschrift.

[2] Zu den Errungenschaften dieser klimarettenden Vereinbarung steht das Nötige in dem Artikel ‚Historisches Agreement‘ auf der Pariser Weltklimakonferenz: Die Konkurrenz um das wachsende Geschäft mit alternativen Energiequellen muss unvermindert weitergehen – das schuldet die Völkergemeinschaft der Rettung des Weltklimas, GegenStandpunkt 1-16, sowie zum Thema internationale Energiekonkurrenz und Klimapolitik in den Aufsätzen: Weltklimagipfel ‚gescheitert‘: Der Kampf der Nationen um die globale Energiewende, ihre Erträge und ihre Geschäftsordnung wird grundsätzlich, Heft 1-10 und Nationale Energiewende mit globaler Perspektive: Imperialistische Konkurrenz um die lohnende Rettung des Weltklimas, Heft 1-14.

[3] Dieses und die weiteren Zitate: Remarks by President Trump at the Unleashing American Energy Event, 29.6.17, vollständig nachzulesen unter www.whitehouse.gov

[4] Ein Grundsatzartikel Zur politischen Ökonomie des Erdöls: Ein strategisches Gut und sein Preis findet sich in der Ausgabe 1-01 dieser Zeitschrift; zur Energiepolitik Amerikas siehe auch: Fracking in den USA: Eine Studie über das innige Verhältnis von Geschäft und Gewalt – made in the USA in Heft 4-15.

[5] Dazu exemplarisch: Wem gehört das Kaspische Öl? Der Imperialismus mischt eine Region neu auf, GegenStandpunkt 3-2000

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