Texte zu Ausbildung und Studium
Die effektive Erzeugung von akademischem Rohstoff
Für seinen wirtschaftlichen Erfolg braucht Deutschland Bildung. Darauf verweisen Politiker sämtlicher Parteien immer wieder. Stellvertretend für alle der frühere Außenminister Westerwelle: Der bezeichnet Bildung als die „zentrale Ressource der Globalisierung“. Der eigentliche Rohstoff, so betont er, liege längst nicht mehr unter unseren Füßen, „sondern zwischen unseren Ohren“. Dies seien Kreativität und Wissen – beide ein Ergebnis von Bildung (auswärtiges-amt.de). Und weil ihr der deutsche Wirtschaftserfolg nun mal am Herzen liegt, kümmert sich die Politik fleißig darum, den wertvollen Rohstoff zwischen den Ohren der Bevölkerung zu verankern.
Jüngstes Glanzlicht dieser Bemühung ist, die Hochschule betreffend, der „Bolognaprozess“. Den haben die Bildungsminister aller europäischen Nationen aus der Taufe gehoben, um, erklärtermaßen, einen einheitlichen Europäischen Hochschulraum zu schaffen und damit eine vergleichbarere, wettbewerbsfähigere Hochschulausbildung zu ermöglichen. Dafür verordneten deutsche Bildungspolitiker ihren Hochschulen eine Studienreform.
Seitdem gibt es
– eine Zweiteilung der Studienabschlüsse in Bachelor und Master, die nur einen Teil der Studierenden zur früher obligatorischen „umfassenden“ Qualifikation führt. Die überwiegende Masse wird in verkürzter Studienzeit mit einem im Vergleich dazu abgespeckten Arsenal an Kenntnissen „beschäftigungsfähig“.
– die „Modularisierung“ der Studiengänge, die Studieninhalte und Veranstaltungen zu abprüfbaren Einheiten zusammenfasst. Für jedes Stück Stoff, das man sich reinzieht, sind Credit Points zu erwerben, die den Zeitaufwand, mit dem man das schaffen muss, definieren, und über jedes Stück Stoff ist eine Prüfung abzulegen, die benotet wird. Kein bisschen Wissen wird an den Unis vermittelt, an dem die Studierenden nicht bewertet, sortiert und im Misserfolgsfall aussortiert werden.
– die Klage der Studenten darüber, dass Prüfungsstress und Zeitdruck aus dem Studium eine kaum zu bewältigende Angelegenheit machen.
So soll möglichst viel Wissen in möglichst vielen Köpfen platziert werden? Läuft da etwas falsch?
Wie passt diese Art der Studienorganisation dazu, Wissensträger zu bilden – als wirtschaftliche Ressource?
Braucht eine Wirtschaft, in der sich alles ums Geldverdienen dreht, wirklich viel Wissen zwischen allen Ohren?
Spielt Wissen da nicht eine schäbige Rolle als Hilfsmittel für Wirtschaftsunternehmen, die es ausschließlich dazu benötigen, es für sich und in Konkurrenz gegeneinander profitabel einzusetzen?
Wird deshalb das Bedürfnis nach Zugriff der Wirtschaft auf möglichst alle Qualifikationen in Relation gesetzt zu den dafür aufzuwendenden Kosten?
Und worum geht es dem Staat, der Bildungsinhalte festlegt und das Bildungswesen finanziert, wenn er Bildung als Selektion stattfinden lässt und die finanziellen Aufwendungen dafür stets kritisch im Blick behält?
In verschiedenen Artikel befassen wir uns kritisch mit dem Wissenschaftsbetrieb der demokratischen Marktwirtschaft: