In der Marktwirtschaft können und müssen alle Gegenstände des Bedarfs als Waren erworben werden. Als Käufer tritt der potentielle Konsument der Warenwelt gegenüber und entscheidet sich. Er kann zwischen Waren derselben oder verschiedener Art wählen und sie nach Qualität oder Design vergleichen. Allein von ihm hängt es ab, ob und in welchem Umfang ein Kaufakt stattfindet – allerdings unter den Vorgaben, die ihm auf der einen Seite durch eigene Notwendigkeiten und das Sortiment der Anbieter, auf der anderen Seite durch die Warenpreise und seinen Geldbeutel diktiert sind.
Unternehmen produzieren für den Markt, um auf ihm ihren Gewinn zu realisieren. Ohne den Kaufakt durch den Verbraucher können sie diesen Gewinn nicht einspielen. Der Verkauf der Ware ist dafür Bedingung und der Bedarf der Kunden an ihr ist die Voraussetzung für diesen Verkauf.
Das lesen umweltaktivistische Gruppierungen, eine kritische Öffentlichkeit mit Unterstützung durch wissenschaftliche Experten und inzwischen auch das Gros der Verbraucher selbst so, dass der Konsument es ist, der entscheidet – und zwar nicht nur sich, sondern über das Was, Wie und Wieviel der Produktion. In der Marktwirtschaft, so wird behauptet und geglaubt, sei der Konsument in seiner Eigenschaft als Kunde Herr des Verfahrens. Ihm diene alles Wirtschaften. Aus der Bedingung für den Unternehmenserfolg, dem Kauf der Ware, wird der Grund für die Unternehmensstrategie und damit auch das Mittel für ihre Beeinflussung. Mit einem ethisch wertvollen Einkaufszettel kann dafür gesorgt werden, dass in Fabrik und Personalbüro nichts falsch läuft.
Das ist theoretisch verfehlt und praktisch wirkungslos. Im Folgenden die Begründung:
„Der Kunde ist König“
Die Macht dieses Königs ist eigentümlich beschränkt: Sie beruht auf seiner Zahlungsfähigkeit, und die ist nicht nur nicht grenzenlos, sondern in den allermeisten Fällen eher knapp bemessen. Das liegt daran, dass er beim Gelderwerb Knecht genau derer ist, deren geschäftliche Kalkulation er in seiner Rolle als Käufer und Konsument angeblich beherrscht. In der betrieblichen Bilanz der Unternehmen kommt sein Einkommen als Lohnkost vor, als notwendige Ausgabe für den Gewinn, die diesen zugleich schmälert und deshalb möglichst gering zu halten ist. Denn für den Gewinn findet die gesamte Produktion statt.
Einmal mit Kaufkraft ausgestattet, ist der Konsument aber tatsächlich eine Figur, die sich wie der King fühlen darf, weil sie von der Welt des großen Kommerz wichtig genommen wird. Die Geschäftswelt konkurriert um seine Aufmerksamkeit und preist ihm ihre Waren als unschlagbar gut und billig an. Unternehmen, die einerseits über die Höhe ihrer Produktionskosten klagen, geben andererseits immense Summen für Werbung aus. Nötig ist das, weil die Kaufkraft der Kunden nicht so ohne weiteres den verlangten Umsatz und Gewinn für alle hergibt. Deswegen tobt mit den Finessen der Werbung ein Kampf darum, diese Kaufkraft in die eigenen Kassen zu lenken.
Dass es beim großen Publikum an der Kasse hapert, ist der Geschäftswelt darüber hinaus schöpferischer Auftrag. Noch für die fadenscheinigste Kaufkraft werden Produkte maßgeschneidert, die mindestens ebenso fadenscheinig sind. An deren Qualität werden natürlich Abstriche gemacht, auf ihre Bekömmlichkeit oder auch nur Unschädlichkeit für ihre Konsumenten kann der Produzent keinen übertriebenen Wert legen, und im Produktionsprozess ist das im Grundsatz immer geltende Prinzip allerstrengster Kostensensibilität in angemessener Form zur Anwendung zu bringen, was weder den in der Produktion Beschäftigten noch der Umgebung der Produktionsstätte gut tut. Schließlich soll jedes kapitalistisch erstellte Produkt eine ordentliche Gewinnspanne beinhalten.
„König Kunde“ kauft dieses Zeug, das zum allergrößten Teil aus für seinen alltäglichen Bedarf notwendigen Dingen besteht, nicht, weil er auf Schrott Wert legt oder ihm die Beschaffenheit seiner Konsumtionsmittel egal wäre, sondern, weil er es braucht und es sich im benötigten Umgang nur in dieser Form leisten kann. Davon, dass es für seinen Bedarf geeignet ist, vielfach auch davon, dass sich bei seiner Herstellung an den gesetzlich erlaubten Umfang der Ruinierung von Mensch und Umwelt gehalten wurde, geht er aus – und muss sich in schöner Regelmäßigkeit eines Besseren belehren lassen. Lebensmittel„skandale“ gehören zum Alltag, im Eigenheim tummeln sich die Schadstoffe und in der Atemluft Feinstaub und jede Menge Abgase, wie sie auch sein PKW freisetzt. Beständig „enthüllen“ die Medien Erschreckendes über die Arbeitsbedingungen in asiatischen, südamerikanischen, nordafrikanischen oder osteuropäischen Firmen, die den Weltmarkt und damit auch den deutschen Markt beliefern, und über die Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen, die eine Produktion nach marktwirtschaftlichen Kriterien weltweit anrichtet. Kurzum, der moderne Verbraucher sieht sich umstellt von einer Horde konkurrierender Geschäftsleute, die nicht nur über seinen Geldbeutel, sondern mit ihren diversen Produkten und Produktionsmethoden auch noch über seine Sicherheit und Gesundheit und ebenso über die seiner Mitmenschen herfallen.
Der Verbraucher ist an allem schuld
Wenn Konsumenten auf nichts verzichten wollen und dabei allein die eigene Haushaltskasse zum Maß aller Dinge machen, dann brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn unverantwortliche Produzenten diese verantwortungslose Nachfrage mit einem ebenso üblen Angebot bedienen. So etwa lautet die Erklärung, die die inkriminierten Produzenten von Kritik gleich wieder freispricht und den Konsumenten die eigentliche Schuld an dem Schaden gibt, den die Produktion anrichtet. Der Kunde, so soll man sich die Marktwirtschaft vorstellen, ist die Instanz, die durch Einkaufsverhalten und Geldbeutel als ideeller Auftraggeber für tüchtig marktwirtschaftende Unternehmen fungiert, die nichts anderes im Sinn haben, als ihn entsprechend zu bedienen. Und als diese Instanz kriegt er erst mal ganz schlechte Noten: Immer wieder benimmt er sich beim Einkauf daneben! Warum geht das Klima den Bach runter? Weil der Konsument dicke Benzinschlucker fährt und seinen Haushalt nicht energiesparend gestaltet. Warum leiden Menschen in der Dritten Welt Hunger? Weil die Bewohner der Nordhalbkugel, die doch im Wohlstand schwimmen, keine fairen Preise für deren Produkte bezahlen wollen. Warum sterben Lebensmittelskandale nicht aus? Weil der Verbraucher geizig ist und sein Geld lieber in ein teures Auto investiert statt in gesunde Bio-Vollwertkost. Wer fünf Euro für ein Kilo Fleisch bezahlt, hat ja geradezu Gammelfleisch bestellt.
Dass Unternehmen ihre Waren nur deshalb auf den Markt bringen, um damit Geld zu verdienen, gilt hingegen als selbstverständliche Gegebenheit, an der es nichts zu meckern gibt. Und dass sie um so mehr verdienen, je weniger sie einerseits für Produktion und Vertrieb ausgeben und je höher andererseits der Preis ist, den sie für ihr Produkt erzielen, auch nicht. Dabei ist das der wirkliche Grund allen Übels. Kinderarbeit und Tagelöhner sind billig, Pestizide steigern den Ernteertrag, Sicherheitsmaßnahmen und Schadstoffbegrenzung erhöhen die Kosten, während der Transport von Vorprodukten an entsprechend billige Produktionsstätten diese senkt. Gefertigte Waren rund um den Globus zu verfrachten erschließt Märkte und Kaufkraft und alles zusammen fördert das Geschäft.
Der Schaden, der daraus resultiert, dass es in der marktwirtschaftlichen Produktion um die Vermehrung des vorgeschossenen Kapitals geht, soll nun nicht dadurch abgestellt werden, dass man den Zweck dieser Wirtschaftsweise angreift, sondern dadurch, dass man ihn ausnutzt. Erfolgen soll das durch den Verbraucher, der seine Kaufkraft verantwortungsvoll einsetzt. Wenn schon nichts passiert, ohne dass daran verdient wird und alles, sofern etwas daran verdient wird, dann muss er unschädliches, umweltfreundliches, faires, kurz „gutes“ Produzieren eben zum (einzig) möglichen Geschäft machen. Damit hat die Endfigur der Warenproduktion allerdings ebenso end- wie erfolglos zu tun.
Die „Konsumentenmacht“ soll die Misere bereinigen
Die allgemeine Überraschung, mit der die Konsumenten die gemeldeten Skandale zur Kenntnis nehmen, ist eine einzige Widerlegung der gepflegten Vorstellung, der Kunde habe als König die Richtlinienkompetenz über das Treiben in den kapitalistischen Firmen. Nichts von dem, was ihn nun empört, hat er gewusst, geschweige denn bestellt. Als Marktteilnehmer ist er ganz die abhängige Variable, nicht nur im Hinblick auf das verfügbare Einkommen, das ihm die Firmenkalkulation lässt, sondern ebenso in Bezug auf Qualität und Herstellungsprozess der feilgebotenen Ware. Wenn er den Markt betritt, sind die Produkte, die er nachfragen kann bereits fix und fertig. Alles, was von einem verantwortungsbewussten Verbraucher bekämpft gehört, ist schon passiert und liegt im Resultat vor. Das beginnt bei der Bekömmlichkeit für die eigene Gesundheit und reicht bis zu unmenschlichen und zerstörerischen Produktionsbedingungen und der Beeinträchtigung des Klimas. Seine „Konsumentenmacht“ ist eine nachträgliche, die, was immer nach dem Urteil des Publikums in den Betrieben schief läuft, bestraft, indem sie die Annahme des Produkts verweigert und hinreichend Geld in die Kassen der Richtigen fließen lässt.
Blöd ist bloß, dass gar nicht klar ist, wer denn nun die Richtigen sind. Den Waren jedenfalls sieht man es erst einmal nicht an. Ihre tatsächliche Beschaffenheit zu ermitteln oder gar die bei ihrer Herstellung zur Anwendung gekommenen Methoden, erfordert eine Investigationstätigkeit, die der Verbraucher selber gar nicht leisten kann. Privat gegründete sowie inzwischen auch offiziell anerkannte oder bestallte Testorganisationen bemühen sich, ihm das abnehmen und versorgen ihn mit seitenlangen Bulletins zu den einzelnen Produktgruppen, die er dann aber sorgfältig zu studieren hat. Und auch der Gesetzgeber hat darauf reagiert, dass die Produktion unschädlicher Produkte im Kapitalismus alles andere als normal ist. Diverse Stoffe sind inzwischen verboten, ansonsten wurden, selbstverständlich unter gebührender Beachtung der Herstellerinteressen, verschiedene Deklarationspflichten eingeführt. Nun steht also auf der Packung, welche Stoffe in Lebens-, Putz- oder sonstigen Konsumtionsmitteln drin sind, und der Verbraucher kann die medizinische Fachliteratur konsultieren, um zu prüfen, ob ihm Krebs- oder Sonstwaserregendes angeboten wird.
Wer sich das alles tatsächlich zum praktischen Anliegen macht, hat eine Lebensaufgabe gefunden, für die die Freizeit eines Arbeitsplatzbesitzers nie und nimmer ausreicht Der bunten Warenwelt hinterherzukontrollieren ist erschöpfendes Tagewerk, zumal jeder „Erfolg“ hinsichtlich der Ächtung eines Stoffes einen neuen Forschungsauftrag bezüglich des zum Einsatz kommenden Ersatzstoffes in die Welt setzt. Alltagspraktikabilität für Nichtfanatiker soll das Ganze durch verschiedene Labels erhalten. Wo Bio drauf steht, ist kein Schadstoff drin und wo Fair Trade draufklebt, fand keine Ausbeutung statt. Dass so etwas neben den „normalen“ Produkten Eingang in die Supermärkte gefunden hat, gilt als ein Triumph gelebter Konsumentenmacht und zeigt doch vor allem, wie selbstverständlich im Kapitalismus die Produktion schadstoffhaltiger Produkte und der Ruin von Arbeitern und Kleinbauern ist.
Durch die Zahlung eines gewissen Aufpreises soll so etwas nun umgangen werden. Der Appell an Gesundheitsbewusstsein und Gewissen der Konsumenten leidet aber schon daran, dass den Meisten die Kaufkraft im dafür nötigen Umfang nicht zu Gebote steht. Es geht ja nicht nur um Eier oder Kaffee, die Macht des Verbrauchers soll es überall richten, wo mit seinem Bedarf ein Geschäft gemacht wird. Lebensmittel aus dem Biomarkt, Klamotten nicht aus Bangladesh, Spielwaren nicht aus China, sämtliche Elektrogeräte A++, das Auto CO2-sparend, das Eigenheim frisch isoliert und mit Sonnenkollektoren versehen und, und, und. Das durchschnittliche Lohneinkommen ist da schnell überfordert.
Dass auch von denjenigen, die sich all die ethisch wertvollen Preisaufschläge leisten könnten, einige bei Aldi und Lidl kaufen statt beim direktvermarktenden Bioproduzenten, soll belegen, dass das fehlende Einkommen gar nicht das prinzipielle Problem ist, sondern der mangelnde Wille der Konsumenten, die eigene Verantwortung wahrzunehmen. Dabei zeigt auch das nur eines: Geld ist in dieser wunderbaren Wirtschaftsweise zum Vermehren da. Es für gute Werke auszugeben, bleibt dem Individuum natürlich unbenommen; es zu investieren, anzulegen und „arbeiten“ zu lassen, ist aber das, was die marktwirtschaftliche Vernunft gebietet. Und das tun die, die es haben, auch.
Dennoch ist das ethische Bewusstsein von gesundem Leben und verantwortungsvollem Konsum, das auf die üblen Wirkungen der kapitalistischen Produktion antwortet, bei den Wohlhabenden einerseits, aber mehr und mehr auch bei den Massen angekommen – und damit neue Geschäftsgelegenheit geworden. Ein ordentlicher Gewinn aus deren beschränkter Kaufkraft lässt sich auch im Biosegement herauswirtschaften, wenn nur die Kosten entsprechend gesenkt werden. Also kaufen Bio-Produzenten in der Ukraine Hühnerfutter auf, das sich mit seinem sensationell günstigen Preis wohltuend in der Bilanz und mit seinem Dioxin weniger zuträglich in Bio-Eiern bemerkbar macht. So kommt es auch, dass die größten Anbieter von Biogemüsen ihre Produkte von spottbilligen Tagelöhnern in Marokko fertigen lassen und mit dem enormen Wasserbrauch ihrer Plantagen die ortsansässige Bevölkerung um bezahlbares Trinkwasser bringen.
Doch auch für diejenigen, die nicht jeden Euro sorgsam umdrehen müssen, ist es gar nicht einfach, als Verbraucher segensreich zu wirken. Wer es etwa mit dem Klima hält und die Verbesserung seiner privaten CO2-Bilanz zum Dreh- und Angelpunkt verantwortungsvoller Konsumtion erhebt, verzehrt im Norden ab sofort keinen Spargel mehr aus mediterranen Ländern, weil der wegen seines langen Transportweges zu viel Kohlendioxyd auf dem Kerbholz hat. Stattdessen empfiehlt sich der Kauf beim heimischen Spargelbauern, der das Konsumentengewissen von jeder CO2-Belastung frei hält, jedenfalls, was den Transport des Produktes angeht. Dieses Geschäftsmodell jagt stattdessen Massen von osteuropäischen Wanderarbeitern mit ihren CO2-Schleudern über die Autobahnen, damit sie für einen Hungerlohn die Ernte einbringen. Ganz abgesehen davon, ob der Skandal nun mehr in den massiven Rückständen von Verbrennungsmotoren oder in der schlechten Behandlung der Humanressource anzusiedeln wäre: Als Konsument eine geschäftliche Rechnung zu durchkreuzen, die man nicht angreifen will, krankt eben daran, dass man immer wieder auf genau dieselbe Rechnung und ihre Folgen stößt.
Manch einer sieht seinen Sinn für Gerechtigkeit herausgefordert, wenn er hinter den Logos der großen Kaffeeröster die Armut der südamerikanischen Plantagenarbeiter entdeckt, die ihre Kaffeebohnen für ein paar Pesos an die großen Aufkäufer abliefern. Bei „Fair Trade“ zahlt die Konsumentenmacht freiwillig ein paar Euro mehr für das Kilo, um dem Markt zu zeigen, wie ein fairer Preis wirklich aussieht. Was solche Konsumenten einfach übersehen, ist die Tatsache, dass die Kategorie Fairness auf das gelobte „freie Spiel der Marktkräfte“ überhaupt nicht passt. Der Verkäufer will einen hohen, keinen fairen Preis erzielen, der Käufer einen niedrigen – letzteres ein Interesse, das den meisten Verbrauchern schon ihr schmaler Geldbeutel recht gebieterisch nahe legt. Jeder Aufpreis, der zu zahlen ist, ist eine Einschränkung dessen, was die sich sonst noch leisten können, reduziert also die begrenzten Mittel, mit denen sie ihre angebliche Macht anderswo zum Einsatz zu bringen in der Lage sind.
Jeder Aufpreis, der gezahlt wird, landet aber mit Sicherheit bei einem kapitalistischen Unternehmen, das ihn wieder in sein Geschäft steckt. Wie dieses Geschäft gemacht wird, lässt sich mit der Bezahlung einer Geldsumme nicht bestimmen. Ob überhaupt etwas und wie viel vom „fairen“ Kaffeepreis bei den Pflückern und Kleinbauern ankommt, hat der Kaffeekäufer nicht in der Hand. Inzwischen wird besorgt gemeldet, dass gerade die vermehrte Nachfrage nach Fair-Trade-Produkten kleine Produzenten, die die entsprechenden Mengen nicht liefern und/oder die Gebühren für ein Fair-Tade-Siegel nicht zahlen können, aus dem Markt drängt. Im Übrigen wird die als unfair gebrandmarkte Praxis der Großkonzerne ja nicht abgestellt. Sie wird ergänzt um ein Nischengeschäft, das auf der Spendenbereitschaft einiger Kunden aufbaut und damit entsteht und vergeht.
Wenn immer wieder aufgedeckt wird, dass das, was auf der Packung draufsteht, in ihr gar nicht drin ist, bei „normalen“ Waren sowieso, aber eben auch in den Bereichen, die die verschiedenen Labels abdecken, dann resultiert das mit logischer Konsequenz aus dem Zweck, der in dieser Produktionsweise gilt. Damit, dass man Bio draufschreibt und den entsprechenden Preis verlangt, ohne die dafür nötigen Zusatzkosten aufzubringen, lässt sich ein prima Extraprofit einfahren. Der Ruf nach Kontrolle durch die Staatsmacht ergänzt deswegen notwendig die Macht des Verbrauchers und widerlegt sie doch gleichzeitig.
Das Resultat
Die Rechnungsweise, die jeden Aufwand als Kost bilanziert, die sich durch einen Gewinn rechtfertigen muss, bleibt auch in der Biobranche und anderen ethisch angeleiteten Unternehmungen in Kraft. Die schlechte Behandlung von Mensch und Natur stirbt daher auch in den Branchen nicht aus, die bewusste Konsumenten zu den Edelsegmenten auch moralisch inspirierter Produktion zählen. Man hat sich daran gewöhnt, dass Vertrauen (auch das übrigens das Gegenteil von Kontrolle!) enttäuscht wird und allerlei Skandale auch und gerade auf das Konto derer gehen, von denen man „so etwas nicht erwartet“ hätte.
Leider wird daraus meist nur der Schluss gezogen, dass in solchen Fällen mit dem im Prinzip ehrenwerten Profitstreben übertrieben und Profitgier an den Tag gelegt wurde. Wo das Streben aufhört und die Gier anfängt, lässt sich dabei nie von vornherein, sondern immer nur ex post sagen: Wenn allzu unschöne Wirkungen auftreten, dann war Gier am Werk. Dabei muss man als Unternehmer gar nicht von bösen Absichten getragen sein, um schwarze Tagelöhner mit einem Billiglohn abzuspeisen oder einen bekannt gewordenen Schadstoff kostengünstig durch einen anderen zu ersetzen. Mit der Kostensenkung, die solche Maßnahmen erzielen, setzt sich ein Unternehmen am Markt über die Preissenkung seiner Ware gegen Konkurrenten durch, die dasselbe tun, um den Gewinn, mitunter sogar die Existenz der Firma zu sichern.
Allen kapitalistischen Unternehmen ist die Produktion von Gütern Mittel für die Verfolgung des Zwecks, investiertes Geld zu vermehren. Und einem in Misskredit geratenen Unternehmen lässt sich der Kaufakt nur dadurch verweigern, dass der Konsument ihn einem anderen Unternehmer zuspricht. Dieser Wechsel, den er in Ausübung seiner Verbrauchermacht vollzieht, ist also keiner zwischen zwei verschiedenen Unternehmensphilosophien, er bewegt sich vielmehr ganz innerhalb des Spielfeldes, das die vielen beklagten Auswüchse überhaupt erst hervorbringt. .In Wahrheit tauscht er nur seine eigene Enttäuschung gegen die Hoffnung, der neue Anbieter möge sich besser benehmen als der alte. Mehr als die schlechte Erfahrung hat er als Grund für seinen Boykott eines aufgeflogenen Missetäters nicht aufzubieten. Und das ist das einzige, was das neu ins Herz geschlossene Unternehmen dem Missetäter voraus hat: Die schlechte Erfahrung will erst noch gemacht sein.
Die Leistungsbilanz der Konsumentenmacht fällt entsprechend aus. Auf der Habenseite steht vor allem eines: die Wirkung, die die Idee auf das Selbstbewusstsein ihrer Träger entfaltet. Man hat Verantwortung gezeigt und sich nichts vorzuwerfen. Dass die angepeilten objektiven Wirkungen auf Produktion und Handel bescheiden ausfallen oder ganz ausbleiben, ist mit dem Prinzip dieser Wirtschaftsweise verbürgt, das unangetastet bleibt.