Heimatnah, glaubwürdig und wirksam: typisch europäische Flüchtlingshilfe
„Verstörende Bilder“ (SZ, 13.10.05) erreichen uns mit einmal, von „inhumanen Zuständen“ und „dramatischen Szenen“ an den Grenzen der europäischen Vorposten in Nordafrika, Ceuta und Melilla: „Frauen, Kinder und Männer, die im Stacheldraht hängen, abgewiesen, ohne Nahrung, ohne einen Tropfen Wasser in der Wüste an der Grenze zu Algerien zurückgelassen werden “ (Gemeinsame Erklärung der Europaminister Frankreichs, Spaniens, Italiens, Libération, 21.10.) Diese Not spricht in ihrer Größe nur für eines: Die, die in dieser Not sind, müssen auf ihrer „Völkerwanderung“ (SZ, 13.10.) rechtzeitig gestoppt werden. Damit sie sich nicht so weh tun, braucht es in den Zonen südlich der Sahara „regionale Schutzzentren“, die „dazu dienen, die illegalen Migranten zunächst unterzubringen, bevor sie zurückgeführt oder in aufnahmebereite Länder gebracht werden“ (Schily, FAS 9.10.), Diese feine „Migrationspolitik in Zusammenarbeit mit Afrika“ (Moratinos, span. Außenminister, Le Monde 8.10.) sieht mit ihren ‘Aufnahmeeinrichtungen’ vor Ort eine „ Lösung so nah wie einrichtungen’ möglich an der Herkunftsregion“ (Schily) vor. Die afrikanischen Souveräne über Land und Leute können ihre Herrschaft, oder was von der noch übrig ist, endlich sinnvoll verwenden, wo sie sonst nur mit dem Missbrauch ihrer Souveränität nerven, sich entweder weigern, „entgegen ihrer internationalen Verpflichtungen der Rückführung illegaler Migranten zuzustimmen“ (Schily), oder in periodischen Abständen mit Bürgerkriegen und politischen Unruhen, die niemand bestellt hat, unangenehm auffallen. Sie können den bedauernswerten Opfer ihrer instabilen inneren Verhältnisse auch Gutes tun, nämlich sie zusammenfangen und ihnen auf ihrem Land mit ein paar Rollen Stacheldraht eine vorläufige Heimstatt bieten. So bekommen diese staatlichen Armutshäuser, alle irgendwo auf den hinteren Listenplätzen der Weltgemeinschaft angesiedelt, von Europa eine Chance: Anstatt weiter als degradierte, passive Empfänger von Entwicklungshilfe Gelder in korrupten Kanälen versickern zu lassen, können sie als Verwahranstalten für ihren menschlichen Ausschuss einen nützlichen und anerkannten Dienst tun. Das wäre mal ein überzeugendes Beispiel von ‚good governance’, wo für „afrikanische Probleme afrikanische Lösungen“ entwickelt und Flüchtlinge davor bewahrt werden, sich auf eine Flucht zu begeben, die – zusätzlich zu allen Risiken – in den allermeisten Fällen bloß damit endet, dass sie postwendend dorthin zurückgeschickt werden, wo sie also gleich hätten bleiben können.
Und wo diese afrikanischen Staaten als Erfüllungsgehilfen europäischer Migrationspolitik unfähig sind, solche Lager zu betreiben, hilft ihnen Europa dabei. Einerseits mit Geld, das nicht groß ins Gewicht fällt – „die Kosten, die wir für die Unterbringung von illegalen Migranten und Asylsuchenden aufbringen müssen, sind nach Expertenschätzungen 150mal höher als jene, die wir für ein auskömmliches (?!) Leben der Menschen in ihrem Heimatland aufwenden müssten“ (Schily); andererseits stellt Europa das geschulte Personal der Lagerverwaltung – gedacht ist an die EU oder das UNHCR. Wer sonst wäre auch in der Lage, vor Ort eine gewissenhafte und gerechte Selektion zu treffen „zwischen der großen Gruppe der Armutsmigranten, die keinen Anspruch auf politisches Asyl haben, … und jener kleinen Gruppe von Flüchtlingen, … die tatsächlich politisch, religiös oder rassisch verfolgt werden“. (SZ 10.10.) Wohl den Flüchtlingen, die so fürsorgliche wie mächtige staatliche Paten haben.(Aus GegenStandpunkt 4-05)