Mit Anwesenheitsboni gegen den Krankenstand


Unternehmerischer Einsatz für einen gerechten Lohn für ein gerechtes Tagewerk

Seit Anfang des Jahres können Arbeitskräfte bei Daimler und Amazon ihren Lohn aufbessern, wenn sie sich selten bzw. überhaupt nicht krankmelden; wer nur wenige Krankheitstage über das Jahr zusammenbringt, dem stellen die Arbeitgeber Bonuszahlungen in Aussicht. Die progressive Geschäftsmaßnahme der Unternehmen nimmt die Öffentlichkeit hinsichtlich ihrer (zu erwartenden) Wirkungen mit fachkundigen Bedenken zur Kenntnis und findet sie mehrheitlich etwas anrüchig, kennt aber einen respektablen Grund, weshalb sie dann doch in Ordnung geht:

„‚Wer Angst um seinen Job hat, schleppt sich gelegentlich auch mal mit einer Erkältung ins Büro‘, sagt Dennis Nowak, Arbeitsmediziner an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Präsentismus nennen es die Ärzte, wenn Arbeitnehmer trotz Krankheit ins Büro gehen. Dass der Stuttgarter Autobauer Daimler kürzlich ankündigte, seinen Mitarbeitern einen Bonus zu bezahlen, wenn sie gar nicht oder nur selten krank sind, sei ein fatales Signal, sagt Nowak. Insgesamt ist der volkswirtschaftliche Schaden durch kranke Angestellte aber erheblich. Die BAUA [Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin] rechnet vor, dass 2015 fast 590 Millionen Arbeitstage durch Krankentage weggefallen sind, das macht rechnerisch 1,6 Millionen ausgefallene Erwerbsjahre. Die deutsche Wirtschaft hat das geschätzt 113 Milliarden Euro gekostet, das wären fast 3000 Euro je Arbeitnehmer – oder 193 Euro für jeden Tag mit gelbem Zettel.“ (SZ, 19.12.16)

Was für Deutschlands Spitzenunternehmen zur einträglichen Bewirtschaftung rentabler Arbeitsplätze auf der einen Seite und zum davon abhängigen Erwerbsleben auf der anderen Seite offenkundig dazugehört –: Teile der Belegschaft fallen aus, wenn sie krank sind –, das rechnen die staatlichen Bedenkenträger des Wachstums zu einem millionenschweren Batzen verschleuderter Arbeitsstunden, -tage, -jahre zusammen, die der deutschen Wirtschaft in einem einzigen Jahr durch die Lappen gegangen sind. Sie müssen ja nur so tun, als wäre jeder der 590 Millionen Krankheitstage identisch damit, dass die Arbeitsleistung des jeweiligen Tages in den Unternehmen nicht ein einziges Mal durch ‚Springer‘ oder sonstige anwesende Mitarbeiter aufgefangen wurde, vielmehr tatsächlich unterblieben ist oder ohne Umstände zusätzlich hätte stattfinden können. Und wenn sie im Folgenden davon ausgehen, dass bei der so massenhaft entfallenen Arbeitsleistung fraglos eingetreten wäre, worauf Arbeitgeber ihre Betriebe zwar energisch trimmen und woran sie die Rentabilität der Arbeit messen, was sich aber bekanntlich gar nicht im Betrieb, sondern erst am ‚Markt‘ entscheidet – nämlich, dass die Arbeit Geldüberschüsse generiert –, dann lassen sich 1,6 Millionen ausgefallene Erwerbsjahre mit einer ‚durchschnittlichen Bruttowertschöpfung‘ multiplizieren, was einen zwölfstelligen Eurobetrag ergibt, den die SZ für ihre Botschaft zitierenswert findet: Wenn sie den Krankenstand an ihrem Ideal einer nimmerkranken Arbeiterschaft misst, auf die Deutschlands Unternehmerschaft Anspruch hat, kommt ihr die fiktive volkswirtschaftliche Verlustrechnung der Bundesanstalt mit ihren großen Zahlen gerade recht – sie bebildert damit sich und ihrer Leserschaft die Dimension ‚unseres Problems‘ mit kränklichen Arbeitnehmern, an dem sich zuvor zitierte Bedenken gegen fragwürdige Geschäftsmaßnahmen gründlich relativieren.

Der unternehmerische Standpunkt, der so zum Gemeinwohl der deutschen Volkswirtschaft geadelt wird, steht ganz in der Tradition jenes ehernen Grundsatzes der Lohnarbeit, wonach Unternehmer Geld für Arbeit bezahlen und damit das Recht auf ihre geldwerten Leistungen erwerben; ein Rechtsverhältnis, dem alle persönlichen und sachlichen Notwendigkeiten der Arbeitskraft, über die so verfügt wird, äußerlich sind; ein Verhältnis also, kraft dessen Unternehmer gegen die Notwendigkeiten und Bedürfnisse der Arbeitskräfte, die darin ihre Einkommensquelle haben, ihren Anspruch auf deren ausgiebige Betätigung geltend machen, sie also großzügig für ihren Gewinn verschleißen.

Was die Unternehmer nichts angeht, ist dem bürgerlichen Staat bestens bekannt. Weil das Lohnarbeitsverhältnis seiner Natur nach ruinös ist und daher ohne seine hoheitlichen Korrekturen nicht zuverlässig funktioniert, beschränkt er behutsam die Interessen des Kapitals. Krankheit und gesundheitliche Leiden sind von ihm als unvermeidliche Bestandteile des Erwerbs- und sonstigen Lebens seines arbeitenden Volkes anerkannt; auch, dass das Bemühen, wieder gesund zu werden, einiges an Zeit und Geld kostet. Und weil die Geldquelle der großen Mehrheit so beschaffen ist, dass sie genau das nicht hergibt – sie lebt vom Dienst an der Vermehrung fremden Reichtums, verdient also nichts, wenn sie krank herumliegt und ihren Dienst nicht tun kann –, schreibt der Staat eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vor. Da der Staat Krankheit & Gesundheit zur Privatsache erklärt, liegt es (zunächst) im Ermessen der Mitarbeiter, ob und wann sie krankheitsbedingt ausfallen. Wenn sie sich krankmelden, kann der Arbeitgeber zwar auf einer Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bestehen, hat den Umstand damit jedoch zu akzeptieren. Kombiniert mit der Verbindlichkeit der Lohnfortzahlung stiftet diese Regelung ein Stück Freiheit für Lohnarbeiter, die sie gegen den vertraglich vereinbarten Zugriff auf ihre Arbeitskraft in Anschlag bringen können.

Mit dem allgemeinen Prinzip der Lohnarbeit im Rücken und im vollen Bewusstsein der wechselseitig vereinbarten Gültigkeit ihrer Ansprüche an das Leistungsvermögen der Angestellten konstatiert die Unternehmerschaft das Ärgernis, das der Staat ihr damit zumutet: Unter gewissen Umständen, die die Unternehmer nicht in der Hand haben, haben sie tatsächlich Geld für Nicht-Arbeit zu bezahlen. Eine systemwidrige Beschneidung ihres Anrechts auf Bezahlung nur für verausgabte Arbeitskraft – so konstatieren sie ihren Schaden, wenn das menschliche Inventar unter den Auspizien des Sozialstaates an seinen gesundheitlichen Malaisen und am Aushalten des Arbeitsstresses herumlaboriert. Doch wie immer, wenn der Staat regulierend in die Lohnarbeit eingreift, lässt das Unternehmer nicht verzagen, sondern erfinderisch werden. Kundig behandeln sie seine Vorschriften als Bedingungen von Geschäft und Konkurrenz, die nicht nur, wo es eben geht, praktisch zu unterlaufen sind, sondern mit denen im Sinne des Geschäfts umzugehen ist: Ist die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ‚gegebene Tatsache‘, erscheint der Krankenstand selbst als Kostenfaktor, also keineswegs als gegebene Tatsache, sondern als betriebswirtschaftliche Variable, die es anzugehen, d.h. zu senken gilt.

Also wenden Unternehmer sich der Gesundheit ihrer Belegschaften zu. Die wird durch die geforderte Arbeitsleistung schließlich großzügig beansprucht, also verbraucht – und gerade deshalb im Betrieb kleinlichst beachtet: Betriebswirtschaftlich unnötige Belastungen und ‚unvernünftige Angewohnheiten‘ – Umgangsweisen der Arbeiter mit den Anforderungen, die der Arbeitsplatz an sie stellt – werden aufgespürt und sind abzustellen, weil sie – in Gestalt sinkender Arbeitsleistung und steigender Fehlzeiten – bloß Kosten verursachen. Mitarbeiter werden zur ergonomisch korrekten Körperhaltung beim Picken, Packen und Flitzen angehalten, damit der Rücken das noch lange mitmacht und alle Ansprüche des Unternehmens friktionsfrei über die Bühne gehen. Und auch um das private ‚Gesundheitsbewusstsein‘ und den einschlägigen Bedarf der Mitarbeiter wird sich gerade in den Großunternehmen, die den Verschleiß ihrer Arbeitskräfte minutiös planen und immerzu perfektionieren, gekümmert; dort gibt es daher eine gern gesehene Vielfalt an Gesundheitsmaßnahmen – Yogakurse für Beweglichkeit und Muskelaufbau, Gymnastik zu Schichtbeginn, orthopädische Schuheinlagen und weitere interessante Offerten finden sich darunter. Die Mitarbeiter sollen mitbekommen, dass ihre Gesundheit dem Unternehmen alles andere als egal ist: In Form attraktiver Angebote an das eigene Gesundheitsbedürfnis installieren die Unternehmen ihren Anspruch auf die Gesundheit der Belegschaft – im Betriebsablauf, in den daran angepassten Umgangsformen, im Privatleben. Auch zu gesunder Ernährung und Freizeitgestaltung haben moderne Arbeitgeber ihren Angestellten einiges zu bieten, finanzieren praxisnahe Kurse und Ratgeber, die zeigen, wie man noch im stressigsten Alltag gesund kochen kann usw. Freizeit ist schließlich Reproduktionszeit.

Ihre fürsorglichen Gesundheitsangebote für den Verschleiß ergänzen die Unternehmen im selben Sinne nun in die andere Richtung. Nach ihrem Dafürhalten machen Lohnarbeiter nämlich allzu oft verantwortungslosen bis betrügerischen, in jedem Fall viel zu häufigen Gebrauch von ihrer Freiheit, sich krankzumelden – deswegen unterbreiten sie ihnen ein Angebot, das diesen Missstand beheben soll: Amazon, Daimler et al. greifen – neuerdings mal wieder – zu einer Maßnahme, die ihre Mitarbeiter zu mehr Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst und ihre Gesundheit anstacheln soll.

Daimler: Ein kleiner Bonus für eine bessere Krankmeldungskultur

„Autokonzern Daimler belohnt gesunde Mitarbeiter… Wer nie fehlt, kann bei Daimler demnächst bis zu 200 Euro Bonus bekommen. Damit soll Anwesenheit belohnt werden.“ (FAZ, 15.12.16)

Was der betriebsnützlichere Gebrauch der Freiheit des Lohnarbeiters bei Daimler wert ist – der Konzern hat weder Kosten noch Mühen gescheut, es herauszufinden: In einer zweijährigen Testphase hat er die Bedingungen herausgearbeitet, an die die Boni zwecks optimaler Wirkung zu knüpfen sind: Verspielt ein Mitarbeiter etwa bereits mit einem krankheitsbedingten Ausfall seinen ganzen Jahresbonus, hat er keinen Anreiz mehr, das restliche Jahr über fit zu sein. Also werden die Boni schrittweise gestrichen und auf jeweils ein Quartal bezogen. Zu kurz dürfen die Zeiträume nämlich auch nicht gewählt sein, denn mal einen Monat lang keinen Tag zu fehlen, ist ja auch ohne Bonuszahlung ein Leichtes. Auch die Höhe der Maximalzahlung von 200 Euro pro Jahr ist optimal kalkuliert: Weil die Hälfte der Belegschaft bei Daimler im Schnitt ohnehin überhaupt keine Fehltage hat und daneben eine (zumeist ältere) Minderheit so lange krank ist, dass der Konzern nicht damit rechnet, dass sich das durch die Anwesenheitsprämie abstellen lässt, sind die Kosten der Maßnahme auf die Fehltagesenkung jener 20-30 Prozent der Mitarbeiter berechnet, die mit kurzen Krankheitsphasen ca. ein Viertel der Fehltage verursachen: Die insgesamt fälligen Zahlungen sollen durch die Einsparung bezahlter Krankheitstage bei dieser Zielgruppe kompensiert werden. Über die Unterbreitung eines schnöden materiellen Anreizes für begrenzte Teile der Belegschaft soll die Maßnahme dabei weit hinausreichen:

„Die einen schleppen sich noch mit Fieber zur Arbeit, die anderen legen sich ins Bett, wenn nach einem anstrengenden Wochenende der Schädel brummt – diese Bandbreite an Verhaltensweisen gibt es wohl in jedem Unternehmen. Der Autohersteller Daimler gibt nun ein klares Signal, was er für richtig hält: Anwesenheit wird belohnt.“ (Ebd.) „Beim Stuttgarter Autobauer werden traditionell vergleichsweise hohe Gehälter gezahlt. 50 Euro mehr im Quartal werden da als Antrieb bei den meisten nicht viel bewirken. Darum ist klar: Es geht nicht so sehr um das Geld und die Prämie, sondern um etwas anderes: Die Signalwirkung. ‚Bleib gesund‘ sagt das Unternehmen ‚und wir geben dir dafür etwas – mehr oder weniger symbolisch‘.“ (blog.betriebsrat.de, 15.12.16)

Was heißt da schon symbolisch! ‚Bleib gesund‘ = ‚sei anwesend‘ – diese nachdrückliche Erinnerung an das Unternehmensinteresse ergeht an die gesamte Belegschaft. Mag die Prämie bei Daimler finanziell für die mit vergleichsweise hohen Gehältern gesegneten Arbeiter nicht viel ausmachen, die dadurch initiierte Gleichung von Anwesenheit und Gesundheit gibt der Belegschaft klar zu verstehen, dass auf ihre Praxis des Krankmeldens ein nachhaltiger Blick geworfen wird und dass sich am Krankenstand etwas ändern muss. Gefehlt wird bei Daimler künftig nur verantwortlich, also möglichst gar nicht.

„Die Regelung zielt darauf ab, dort einen Anreiz zu setzen, wo Beschäftigte die Möglichkeiten des Krankmeldens zu ihren Gunsten ausgenutzt haben.“ (FAZ, 15.12.16)

In der Gewissheit, dass bezahltes Daheimbleiben sich eigentlich nicht gehört, dass Krankmelder ihre Arbeitgeber ausnutzen, legen sie ihren Mitarbeitern nahe, sich gefälligst zweimal zu überlegen, ob sie wirklich zu Hause bleiben. Um dieses ‚Signal‘ geht es – und es sitzt. Dementis der folgenden Art beweisen es:

„Einigkeit besteht darüber, dass der Anwesenheitsbonus keinesfalls dazu führen darf, dass Beschäftigte krank zur Arbeit kommen.“ (Mitarbeiterbrief aus der Zeit der Testphase bei Daimler, labournet.de)

Wenn die lieben Beschäftigten es dann doch tun, dann wird es schon nicht so arg gewesen sein – sonst wären sie ja daheim geblieben! Gemäß dieser verbindlich gemachten, zirkulären Logik legen die Arbeitnehmer die gewünschte Rücksichtslosigkeit an den Tag und werden ideell und materiell durch den 200-Euro-Bonus prämiert; der Bonus für die Gegenseite kann sich hingegen sehen lassen:

„Manche Arbeitsrechtler vermuten, dass sich durch diese Prämie die Krankmeldungen um fünf bis sechs Tage jährlich reduzieren lassen.“ (SWR Online, 2.12.16)

Der Daimler-Betriebsrat, dessen Zustimmung diese Maßnahmen allesamt bedürfen, sortiert sich das Verhältnis von Gesundheitsangeboten und Anwesenheitsprämien anders zurecht: Bei ersteren will er von dem Gegensatz, von dem sie zeugen, nichts wissen; die will er als wertvolle Dienstleistungen an den Arbeitnehmern verstanden wissen, die er um den Preis der Akzeptanz des von den Arbeitgebern flankierend geforderten Prämienmodells für seine Klientel rausgeholt hat. Die Doppelstrategie des Unternehmens zur Bekämpfung des Krankenstandes interpretiert er als ein ‚Geben und Nehmen‘, bei dem er einen pragmatischen Erfolg vorzuweisen hat: Während er schöne, erweiterte Gesundheitsangebote auf unbestimmte Zeit zugesichert bekommen hat, musste er den Lohnprämien für den Verzicht aufs Kranksein dafür nur auf zwei Jahre zustimmen.

Amazon: Mit Prämien solidarisch den Krankenstand senken

Der andere prominente Arbeitgeber, der mit solchen Anreizen hantiert, belässt es keineswegs bei läppischen 200 Euro im Jahr. Bei Amazon ergeht das Angebot an die geschätzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre prekären Gehälter – nötig haben sie es – um ein ordentliches Stück aufzubessern:

„An einigen Amazon-Standorten können Mitarbeiter ihr Gehalt um zehn Prozent steigern, wenn sie nicht krank werden… Der Versandhändler Amazon in Deutschland gruppiert seine Mitarbeiter seit dem vergangenen Jahr wie Olympioniken – je nachdem, wie oft sie sich krankgemeldet haben. Anwesenheit am Arbeitsplatz wird mit einem Bonus honoriert… Wer sich seltener krankmeldet, bekommt mehr Geld… Wer keinen Tag im Monat wegen Krankheit fehlt, der ist Gold-Mitarbeiter. Wer einen Tag zu Hause war, hat Silber-Status. Bei zwei Krankheitstagen gibt es Bronze.“ (SZ, 31.3.17)

Amazon bekämpft seinen überdurchschnittlich hohen Krankenstand mit einer Lohnform, die Zynismus, Erpressung und Anreiz kombiniert wirken lässt. Dabei hat sich der Konzern noch einen besonders feinen Winkelzug einfallen lassen:

„In dem aus mehreren Komponenten bestehenden Bonussystem zählen nicht nur die Krankheitstage der einzelnen Mitarbeiter, um eine Prämie von bis zu zehn Prozent des monatlichen Bruttogehalts zu bekommen, sondern auch die Fehltage des gesamten Teams. Wer sich krankmeldet, schmälert damit also nicht nur die eigene Bonuszahlung, sondern auch die seiner Kollegen.“ (focus.de, 1.4.17)

Ein schöner Ansporn zur Konkurrenz der Lohnarbeiter im Betrieb: jeder kontrolliert nicht nur seinen eigenen Medaillenspiegel, sondern den der Kollegen gleich mit dazu. Im Krankheitsfall muss er nicht nur deren Arbeit miterledigen, sondern sie versauen ihm obendrein seinen Bonus. Umgekehrt setzen die Mitarbeiter damit nicht nur ihre Teamkollegen, sondern zuerst sich selbst dem zusätzlichen Druck aus, sich, wenn es irgendwie geht, lieber nicht krankzumelden. Wer will schon dafür verantwortlich sein, dass den Arbeitskollegen ein empfindlicher Teil ihres Lohnes durch die Lappen geht? So entfaltet bei Amazon die hohe Tugend der Solidarität ihren ganzen, schäbigen Nutzen.

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Dass solche Geschäftspraktiken der sozialen Marktwirtschaft schwer in Ordnung gehen, das verbürgt die Interessenvertretung der Betroffenen höchstselbst. Die Gewerkschaft hat mit Argusaugen darauf aufgepasst, dass alles gerecht zugeht:

„Solche Bonus-Modelle sind immer dann inakzeptabel, wenn sie bestehendes Entgelt ersetzen. Das trifft nach unserer Information bei Daimler nicht zu, sondern die Prämie wurde während des Pilotversuchs on top gezahlt.“ (IG Metall, SWR online, 2.12.16)

Wenn die vom Kapital geforderte und von den Arbeitern praktizierte Rücksichtslosigkeit gegen die eigene Physis in aller Form bezahlt wird, ist für die IGM einfach nichts dagegen einzuwenden.


© GegenStandpunkt-Verlag.

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