Kurze Chronologie eines Kampfes
um Deutschlands Meinungsfreiheit
Ein öffentlich-rechtlicher Satire-Fachmann trägt voller Stolz – jedoch nicht ohne Hintersinn – ein Schmähgedicht auf einen ausländischen Potentaten vor, den in Deutschland von links- bis rechtsaußen sowieso schon jeder für die absolute Fehlbesetzung hält. Die deutsche Öffentlichkeit hält das mehrheitlich für total mutig. Sie verrät damit nicht nur einiges über das Recht auf freie Meinungsäußerung und deren öden Gipfel namens Satire, sondern ebenso über den Zusammenhang dieses jedem Menschen eingeborenen Rechtes mit dem nationalistischen Dünkel gegenüber fremden Mächten.
Prolog: Ein Stück türkischer Imperialismus –
als Hintergrundinformation
Erdoğan-kritische türkische Journalisten enthüllen im Jahr 2015 Waffenlieferungen der türkischen Geheimdienste an den IS. Was sie damit veröffentlichen, sind Belege für die zwiespältige Art, in der die Türkei in den syrischen Mehrfrontenkrieg eingemischt ist: Das türkische Militär behält sich bei seiner offiziell erklärten und auch tätigen Mitgliedschaft in der Anti-IS-Koalition genauso wie alle anderen Alliierten vor, den zur „dringlichen Angelegenheit der Weltgemeinschaft“ erhobenen Kampf gegen die Islamisten mit den nationalen Kalkülen abzugleichen, die ihren Interessen und Ansprüchen entspringen, und auch praktisch entsprechend tätig zu werden. Der IS wird unterstützt, soweit das strategische Vorteile – vor allem bei der Bekämpfung des kurdischen Separatismus – verspricht. Das schließt für eine honorige Macht wie die Türkei keineswegs aus, sich zugleich im Rahmen der westlich angeführten IS-Koalition militärisch mit dem IS da anzulegen, wo es ihr aus welchen Gründen und Erwägungen heraus auch immer opportun erscheint. Verlangt ist dabei eine entsprechende Arbeitsteilung der dafür jeweils zuständigen Organe, über die die Türkei wie jede ordentliche Macht schließlich zur Genüge verfügt: Armee, militärische und zivile Geheimdienste, Diplomaten. Die geschäftsmäßig-arbeitsteilige Abwicklung der notwendigen Maßnahmen und ihre angemessene diplomatische Präsentation wird durch die Veröffentlichung in einer Weise gestört, die der türkische Präsident für Landesverrat hält, weshalb sein staatsmännisches Gewissen es ihm gebietet, auch gegen die Beschlusslage des Verfassungsgerichtes die Verräter zu verfolgen, sie einzuknasten und ihre Zeitung mundtot zu machen. Im Unterschied zu den Waffenlieferungen hält er damit nicht hinter dem Berg, weil er öffentlich ein Exempel dahingehend statuieren will, welche Nestbeschmutzer sich die stolze türkische Nation weder leisten kann noch will.
Das Drama: Die entlarvende Inszenierung eines demokratischen Höchstwerts
1. Akt: Prozess gegen Journalisten – ein Fall für deutsche Oberaufsicht
Die deutsche Politik zeigt sich betroffen, in aller diplomatischen Form und sehr öffentlich – durch die Tatsache eines Prozesses gegen Journalisten. Was die veröffentlicht haben, ist dezidiert nicht Thema. Zur türkischen Einmischung ins syrische Gemetzel, zur eigenen Einmischung ins laufende Kriegsgeschehen und in die Politik des NATO-Partners, zu Übereinstimmung und Konflikt der beiderseitigen imperialistischen Interessen – kein Wort. Dafür klare Missbilligung eines Gerichtsprozesses durch den Auftritt des diplomatischen Vertreters Berlins als kritischer Prozessbeobachter. Der Mann repräsentiert den Vorwurf an die türkische Regierung, sie missachte das hohe Gut der Meinungs-, speziell der Pressefreiheit. Man sorgt sich, öffentlich und nachdrücklich, nicht um die Politik der Türkei, nicht um die Kritik an ihr, sondern um die Freiheit, die die Regierung in Ankara nach deutscher demokratischer Auffassung ihren Kritikern verwehrt. So betätigt sich die Macht aus Berlin – das ist nicht bloß der türkischen Seite sofort klar und Gegenstand ihres Gegenprotests, das ist der ganze politische Inhalt des deutschen Auftritts – als zuständiger Aufpasser, als Instanz der Überwachung innertürkischer Herrschaftsverhältnisse. Sie erteilt den Türken und dem Rest der Welt, dem eigenen Publikum vor allem, den klaren Bescheid, erstens dass sie die Politik Erdoğans ganz prinzipiell für aufsichtsbedürftig, für einen Kontrollfall hält, und zweitens dass sie sich selber für die fraglos befugte Kontrollinstanz hält. Das musste aus Berliner Sicht offenbar mal wieder klargestellt werden. Das ist die politische Sache – und kommt in der Verarbeitung zum deutschen Freiheitsdrama schon gleich gar nicht mehr vor.
2. Akt: Ein öffentlicher Gegen-Schauprozess
Deutschlands vierte Gewalt klärt auf. Erstens darüber, dass die türkische Regierung sich mit ihrem Vorgehen gegen Kritiker – egal, was die auszusetzen haben und warum der amtierende Obertürke dagegen vorgeht – am Höchstwert der Meinungsfreiheit vergeht. Eine Klarstellung, zweitens, in dem Sinn, dass die türkische Politik im Wesentlichen auch unter diesem Gesichtspunkt und nach diesem Kriterium beurteilt gehört: Man weiß über sie, was man wissen muss, wenn man weiß, wie sie mit Journalisten umgeht. Womit sich drittens der glasklare Schluss aufdrängt: Wenn das Vorgehen der Regierung gegen ihre Kritiker weder im Inhalt der Kritik noch in der kritisierten Politik seinen Grund hat, dann kann es seinen Grund nur in der Person haben, die so vorgeht. Der Mann an der Staatsspitze kann Kritik nicht vertragen: Das sagt alles über den Staat, seine Spitze und den, der sie innehat. Was uns das sagt, wird mit den Techniken des Personenkults plus negativen Vorzeichen ausgemalt. Fazit auf alle Fälle: So einer wie Erdoğan verdient die Macht nicht, die er hat; der hat sie nämlich bloß, um sich an ihr zu halten. Aus „Machtbesessenheit“.
Diese profunde demokratische Kritik bietet in ihrer Freiheit von jedem politischen Inhalt einen denkbar schönen gemeinsamen Nenner für alle, die was auch immer an der Türkei, ihrer Politik, ihren Machern oder überhaupt an „den Türken“ auszusetzen haben. Im verletzten Höchstwert der Meinungsfreiheit und dem schlechten Charakter des Präsidenten finden Islamkritiker und Xenophobiker aller Couleurs ihr moralisches Alibi; Kritiker der Merkelschen Flüchtlingspolitik haben einen sittlich hochwertigen Titel in der Hand; ganz gute Deutsche nehmen die Gelegenheit wahr, ihrer Regierung wegen Nachgiebigkeit in einer Frage der demokratischen Ehre und der nationalen Souveränität ins Gewissen zu reden; oppositionelle Kurden sind froh, dass sie zwar nicht mit dem Inhalt, aber mit der Tatsache ihrer Proteste einmal kurzfristig Aufmerksamkeit finden, und treffen sich mindestens ideell mit „besorgten Bürgern“, die im Fall der drohenden Visa-Freiheit für türkische Bürger den massenhaften Zustrom unerwünschter kurdischer Flüchtlinge befürchten.
3. Akt: Der deutsche Humor schlägt zu
Wo die nationale Öffentlichkeit sich dermaßen einig ist in ihrer Abneigung gegen einen missliebigen auswärtigen Machthaber – noch dazu einen, der sich seinerseits gerne groß in Szene setzt und auch damit seine Kollegen mit der imperialistischen Aufsichtsbefugnis und erst recht deren missgünstige Öffentlichkeit ärgert –, da sehen Kleinkünstler der Abteilung Satire sich gefordert. Moralisierende Kritik in beschwingter Form ist ihr Job. Also traut sich NDRextra3 ein Spottlied, dem die wissenschaftliche Literaturkritik der FAZ ein distanziertes Lob erteilt:
„Anstrengend an Satire ist ja, dass man das Normale, das Ärgerliche oder gar das Traurige so lange überspitzen muss, bis es witzig wird. Manchmal genügt Übertreibung, aber im Fall von Recep Tayyip Erdoğan weiß man gar nicht, wohin man das noch treiben soll: Der türkische Staatspräsident hat sich nun mal wirklich einen Palast ohne Baugenehmigung ins Naturschutzgebiet gebaut. Da helfen nur noch Reime, denn Reime helfen immer. ‚Er lebt auf großem Fuß, der Boss vom Bosporus‘, dichtete die Satiresendung ‚Extra3‘ am 17. März auf das Lied ‚Irgendwie, irgendwo, irgendwann‘ von Nena. Auch Erdoğans Abschaffung der Pressefreiheit wird kritisch thematisiert. ‚Ein Journalist, der was verfasst, das Erdoğan nicht passt, ist morgen schon im Knast‘, heißt es. Das Lied benannte die Redaktion in ‚Erdowie, Erdowo, Erdoğan‘ um – der türkische Staatspräsident wird ohnehin korrekt ‚Erdowahn‘ ausgesprochen, da hatten die Satiriker also nicht viel Arbeit.“ (FAZ 29.03.2016)
Nicht gerade eine Spitzenleistung, die Ausnutzung einer speziellen Phonem-Graphem-Beziehung im Türkischen. Aber die Gleichungen, die da „kritisch thematisiert“ werden, die gefallen den Öko-Freaks und Meinungshelden aus Frankfurt: Palast im Naturschutzgebiet = Größenwahn, Pressemaulkorb = Verfolgungswahn. Was braucht es mehr „im Fall von Recep Tayyip Erdoğan“?
Aber das Schönste kommt erst noch.
4. Akt: Der Türke versteht keinen Spaß –
da versteht der Spaßmacher auch keinen mehr
Erdoğan sieht mit seiner persönlichen auch die Ehre aller Türken und ihrer großartigen Nation angegriffen; so etwas soll vorkommen bei höchsten Inhabern staatlicher Macht, die ja schließlich nirgendwo – auch in den besten Demokratien nicht – dafür ins Amt kommen, um sich permanent als Person von diesem Amt zu unterscheiden, das sie mit ihrer Person ausfüllen. Erdoğan zitiert den deutschen Botschafter zu sich und äußert sein Missfallen. Und als hätten alle Öffentlichkeitsarbeiter deutscher Zunge nur auf so etwas gewartet, flammt überall Empörung auf. Stellvertretend für alle wieder die FAZ:
„Dass Erdoğan im eigenen Land die Presse unterdrückt, ist bekannt. Dass er es auch im Ausland versucht, unterstreicht die größenwahnsinnige Dimension seines Machtstrebens.“
Über den Stand der Pressefreiheit in der Türkei weiß der weltkundige Journalist Bescheid und macht sich nichts vor. Aber wenn der oberste Türke – übrigens durchaus gemäß diplomatischer Etikette – Protest gegen seine öffentlich-rechtliche Verunglimpfung einlegt, dann kommen zwei Todsünden zusammen: zum Angriff aufs freie Scherzen der Übergriff auf fremdes Territorium, so als müsste deutsche Macht einem beleidigten Präsidenten aus Ankara zu Diensten sein!
Beide Sünden werden ausgekostet. Erstens wähnt der freie Geist der deutschen Öffentlichkeit sich selbst betroffen, in seinem obersten Daseinszweck angegriffen wie die kriminalisierten Kollegen in der Türkei. Da lebt ganz hoch die internationale Solidarität der Märtyrer der Freiheit – wobei nicht bloß die politische Sache unter den Tisch fällt, um die es den türkischen Regierungskritikern geht, sondern auch der Umstand, dass es denen eben wegen des Inhalts ihrer Kritik ganz anders ans Leder geht als den deutschen Zeitgeistarbeitern mit ihrem tapferen Einsatz für ihr Freiheitsrecht, zum Feindbild vom bösen Präsidenten eine kleine Beleidigung hinzuzudichten. Man imaginiert sich als Opfer – und ist sich dabei zweitens der eigenen Sicherheit vor türkischen Übergriffen derartig sicher, dass man nur den Kopf schütteln kann über die Vorstellung, die man in die Protestnote der türkischen Regierung hineinliest: ein Präsident aus Ankara hätte auch nur das Geringste über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland zu sagen – welch ein Größenwahn!
Sicher, zwischen Märtyrer-Pose und dem Bewusstsein, im eigenen Land in Sicherheit zu sein, besteht schon ein kleiner Widerspruch. Aber beides zusammengenommen gibt doch Aufschluss über das Wesen demokratischer Meinungsfreiheit. Deren höchster Wert liegt sowieso nicht in dem politischen Anliegen, das nicht schon im Stadium seiner Äußerung unterdrückt werden möchte. Er liegt aber auch nur einerseits in einer Generallizenz, die alles erlaubt, weil – und soweit – es auf den geäußerten Inhalt sowieso gar nicht ankommt. Das Allerwertvollste an diesem Wert ist, dass er bei uns gilt, dass es unser Wert ist; eine Lizenz, in deren Gewährung sich der deutsche Staat in seiner Machtvollkommenheit von niemandem ’reinreden lässt. Und vom Regenten aller Türken schon gleich nicht.
Und beides findet Deutschlands geistige Elite einfach gut.
5. Akt: Böhmermann inszeniert sich als ultimative Nagelprobe
Einer davon, öffentlich-rechtlicher Satiriker von Beruf, findet die Dialektik von angedrohter Ermordung der Pressefreiheit und Sicherheit im Schoß deutscher Freiheitsgarantie für Spaßvögel ganz besonders gut. So gut, dass er einen Konflikt inszeniert, der die Identität von Meinungsfreiheit und Macht des Vaterlands ganz methodisch auf die Probe stellt, um sie als allerhöchsten Höchstwert der Nation – und ganz nebenbei sich selbst als deren opferbereiten Helden – mal so richtig gründlich ins Licht zu rücken. Nämlich so:
Im Fernsehen bettet Böhmermann ein aus dem Internet geklaubtes Schmähgedicht über Erdoğan in Vor- und Zwischenreden ein, in denen er erläutert, dass diese gereimten Auslassungen unter das deutsche Strafrecht fallen – „Ich tue jetzt etwas, was auch in Deutschland sicher verboten ist“. Deutschland ist begeistert: über die öffentlichen Anpissereien Richtung Erdoğan sowieso. Daneben aber – je nachdem, wie weit der feuilletonistische Geschmack reicht – auch oder vor allem über die in der gesamten Spaßnummer unendlich ausgewalzte Koketterie mit einer bewussten „Grenzübertretung“. „Was darf Satire?“ ist die Frage, von der alle so tun, als ob sie damit aufgeworfen sei, obwohl sie – wie jeder mitdenkt – damit doch beantwortet ist: Das – den momentanen Hauptfeind der Meinungsfreiheit anpöbeln – muss Satire ja wohl auf jeden Fall dürfen! Müsste jedenfalls, gemessen an allem, was uns hier heilig ist.
Der eigentliche Kitzel ergibt sich daraus, dass absehbarerweise Präsident Erdoğan – gerade in der gegenwärtigen angespannten Situation zwischen Deutschland und der Türkei – auch diesen Schmäh nicht reaktionslos an sich abtropfen lassen wird. Tatsächlich reagiert der türkische Präsident, wie zu erwarten war; und weil es noch einen einschlägigen Paragraphen über die Beleidigung ausländischer Würdenträger im deutschen Strafgesetzbuch gibt, nutzt er den dafür, der Regierung Merkel eine diplomatische Stellungnahme abzuringen. Dass sein kabarettistischer Unfug, über den das Feuilleton – wg. „Metaebene“, „uneigentlicher Rede“ und so Zeug – sich nicht mehr einkriegt, auf diese Weise, also ganz ohne eigenes Zutun, zum Politikum wird, nutzt Böhmermann für ein paar endgültige Klarstellungen über das hohe Gut der Meinungsfreiheit und dessen deutsche Trutzburg:
In der Sicherheit, dass ihm der türkische Machthaber – in deutlichem Unterschied zu den Türken, die sich in der Türkei mit dessen Politik angelegt haben – nicht an die Wäsche kann, beschimpft er Erdoğan, ausdrücklich ohne irgendeine Kritik an ihm damit verbinden zu wollen. Er insistiert a) auf der Freiheit zu jeder Respektlosigkeit auch und gerade gegenüber demjenigen, der wegen seines machtvollen Amtes auf dem gebührenden Respekt vor sich als Amtsperson besteht; b) darauf, dass das in seinem Vaterland unbedingt und bedingungslos erlaubt sein muss, auch und gerade dann, wenn das Recht auf Frechheit mit so schönen Rechtsgütern wie „persönliche Ehre“ kollidiert. Böhmermann provoziert einen extra substanzlosen Konflikt ums Spotten-Dürfen, um damit einen umso grundsätzlicheren Vertrauensbeweis, Deutschlands Freiheitskultur betreffend, in Szene zu setzen, den er zu allem Überfluss dem zuständigen Vertreter der deutschen Staatsgewalt in einem auf Veröffentlichung berechneten Brief auch noch ausdrücklich erklärt:
„Ich möchte gerne in einem Land leben, in dem das Erkunden der Grenze der Satire erlaubt, gewünscht und Gegenstand einer zivilgesellschaftlichen Debatte sein kann.“ (Der „Spiegel“ zitiert aus einem Schreiben des Satirikers an Kanzleramtsminister Peter Altmaier)
Sonst nichts? Dann hat der Mann es ja gut getroffen. Mit einem Staat, der solche albernen Erkundungsgänge gerne „erlaubt“. Mit einem Fernsehsender, der sich einen Borderliner der Albernheit zu Unterhaltungszwecken „wünscht“. Und mit einer Zivilgesellschaft, die darüber, was sie alles darf, nicht bloß begeistert „Debatten“ führt, sondern einen Methodiker des demokratischen Hofnarrentums tagelang als Häuptling einer freiheitlichen Rettungsbewegung feiert. Dumm nur: Bei so viel Willkommenskultur für den Satiriker droht das andere Gütesiegel auf der Strecke zu bleiben: die Gefahr, der der Held der freien Frechheit sich freiwillig ausgesetzt haben will. Das Prickelnde an der Aufführung. Das Ultimative an der allzu leicht gewonnenen Schlacht an der Satire-Grenze. Da muss noch nachgelegt werden.
Und da trifft es sich gut, dass die Kanzlerin dem Antrag auf Eröffnung eines Verfahrens nach § 103 sowieso stattgibt, um die Affäre auf die lange Bank der unabhängigen Justiz zu schieben. Denn wenn man nur lange genug hinguckt, sieht man in Böhmermann oder jedenfalls der in sich ein Opfer und in der Kanzlerin eine Schande für Deutschland, weil sie ihn „einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert“. In bescheidener Selbsteinschätzung als Kunstschaffender, der bloß einmal etwas ausprobieren wollte, erklärt er die Verteidigung seiner Scherze gegen den angepinkelten türkischen Machthaber zur obersten Amtspflicht einer Kanzlerin, die mit der ansehnlichen türkischen Macht gerade ganz andere Ansprüche auszufechten hat. Diese Amtspflicht hat Merkel in der Causa Böhmermann verletzt, die Debattenkultur der Zivilgesellschaft verraten, Deutschland an den Türken verkauft…
Epilog: Wie’s wahrscheinlich doch nicht gemeint ist
So wird am Ende doch noch eine Satire daraus: Höchstwerte der Demokratie, von einem Kleinkünstler selbstironisch ad absurdum geführt. Und alle „Je suis Böhmermann“s sind darauf ’reingefallen! Oder?