„Kampf dem Klimawandel“: Energiepolitik als Menschheitsrettung?
Wieder einmal fand eine UN-Klimakonferenz statt, diesmal im November 2017 in Bonn. Wieder wurde die „Klimakatastrophe“ beschworen. Wieder wurde gefeiert: Fast alle Staaten stellen sich seit Paris ihrer Verantwortung für dieses „Menschheitsproblem“! Und wieder wurde gleichzeitig bekanntgemacht: Ungeachtet aller Katastrophenszenarien steigt die CO2-Emmission weltweit. Gerade die „großen Industrienationen“ blasen munter weiter „Treibhausgase“ in die Luft. Insbesondere auch der Gastgeber Deutschland wird seine Emissionsziele verfehlen.
Ein schreiender Widerspruch, dass sich „ausgerechnet das Land, das die Energiewende erfunden hat“, in der „internationalen Schmuddelecke“ (Weserkurier 18.11.) befindet? Ein eklatantes Versagen aller Staatenlenker, die ihre „Verantwortung für den blauen Planeten“ den „Lobby-Interessen“ der Wirtschaft „opfern“ (Greenpeace), also die Rettung der Menschheit an die Profitinteressen der Industrie verraten?
Nein. Die Staatenlenker lassen keinen Zweifel, dass sie die Sorgen der Menschheit nicht verraten, wie diese Kritiker ihnen vorwerfen. Sie definieren das Menschheitsproblem anders, wenn sie mit der Erderwärmung und ihren Folgen kalkulieren: Da nehmen die einen Politiker Störungen ins Visier, die entwurzelte und fliehende Menschen ihnen, ihren geordneten Verhältnissen antun könnten; andere rechnen mit der Chance des profitförderlichen Umbaus der Energieerzeugung für die nationale Wirtschaft und damit, der „Menschheit“ neue Technik zu verkaufen. Deutschland exemplarisch: „Dies alles geschieht in der Überzeugung, dass die Transformation hin zu einer emissionsarmen Wirtschaftsweise – richtig angelegt – große Wachstumschancen bietet. Erneuerbare Energien, ressourcen- und kostensparende Effizienztechnologien, klimaschonende Neuerungen im Gebäudebereich und im Verkehr – das und anderes mehr wird auf den Märkten weltweit an Bedeutung gewinnen“ (Merkel auf der Klimakonferenz in Bonn).
Ist das „Menschheitsproblem Klima“ am Ende gar nicht das – angeblich ewig verratene – Ziel, sondern ein ebenso wohlklingender wie passend ausgreifender Zuständigkeitsanspruch für eine deutsche Standortoffensive beim Geldverdienen weltweit? Ist der Kampf um die internationale Verankerung von Klimazielen und für eine emissionsarme Wirtschaftsweise ein Mittel für nationale Wachstumsoffensiven? Dreht sich die Konkurrenz der Nationen in Wahrheit darum, wenn die Staatenlenker dauernd und lauthals um Klimaziele und ihre Umsetzung streiten?
Dafür spricht viel. Und mancher „schreiende Widerspruch“ ist dann gar keiner. Deutschland z. B. besteht nicht nur auf seiner internationalen Vorreiterrolle in der Klimafrage und darauf, dass es für die anderen Staaten „kein Zurück“ hinter das Pariser Klimaabkommen geben darf; Deutschland besteht auch darauf, dass weiter rund 40 % des Stroms aus der Braunkohle, dem „Klimakiller Nummer 1“ (Weserkurier) gewonnen wird:
„Es geht auf der anderen Seite aber auch um soziale Fragen und Arbeitsplätze, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Frage der Reduktion der Kohle. Dabei geht es auch um Wirtschaftlichkeit; das heißt, um die Bezahlbarkeit von Energie. Auch in einem reichen Land, wie wir es sind, sind natürlich erhebliche Konflikte in der Gesellschaft vorhanden, die wir vernünftig und verlässlich lösen müssen“ (Merkel).
Ein interessantes Dilemma, das die Kanzlerin allen Insassen ihres Landes da vorbuchstabiert: Lohn oder Schutz vor den Klimafolgen. Und sie sagt ja gleich dazu, wofür das einzig sprechen darf: für ihre Politik des deutschen Wachstums…
Einladung Tübingen
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