Wie Protest demokratisch fertiggemacht wird
Für Mitte Mai hatte ein Bündnis linker Organisationen mehrere Aktionstage und eine Abschlussdemonstration unter der Parole „Blockupy Frankfurt“ angekündigt – eine Protestaktion „gegen das Spardiktat der Troika“ aus EU-Kommission, EZB und IWF, die, unter maßgeblicher Beteiligung von Deutschland und Frankreich, zur Rettung des Euros die „Völker Europas systematisch verarmen“, um ihre Finanzmittel zur Rettung der Banken mobilisieren zu können. Um diese Kritik an die Bevölkerung zu bringen, soll auf öffentlichen Plätzen, die sich die Demonstranten „nehmen“ wollen, über diese Einwände diskutiert werden; und um deren praktische Stoßrichtung zu untermauern, ist eine eintägige symbolische Blockade der EZB und des Frankfurter Finanzdistrikts geplant. Die Stadt Frankfurt, deren Polizeibehörde und das hessische Innenministerium setzen gegen diese Ankündigung eine demonstrative Klarstellung, den richtigen Gebrauch des hohen Rechtsgutes Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit betreffend: Sie verbieten die drei Aktionstage, setzen das Verbot mit täglich 5000 Polizisten durch und schützen zu guter Letzt bei der dann doch noch erlaubten Abschlussdemonstration deren Teilnehmer davor, „Gewalt gegen Personen und Sachen“ auszuüben.
Vom Kampf für eine politische Sache …
Dass die regierenden Demokraten und deren lokale Unterabteilungen in Frankfurt und Wiesbaden etwas gegen das politische Anliegen der Demonstranten haben, liegt in der Natur der Sache. Schließlich lehnen die ihre finanzpolitische Raison rundweg ab und halten die Wirkungen dieser Politik für einen Skandal. Unzufriedenheit mit ihrer Regierungstätigkeit sind Politiker allerdings gewohnt und haben ihr deswegen ein Betätigungsfeld getrennt von der selbstverständlich eingeforderten staats- und rechtstreuen Unterwerfung unter ihre Regierungsmaßnahmen angewiesen: Die bunte Welt des freien Meinens, dessen einzig praktische Tat das Wahlkreuz ist. Was die herrschenden Politiker an Demonstrationen wie der in Frankfurt überhaupt nicht leiden können, ist der praktische Tatendrang, mit dem sich das, was sie als ihre passive Basis zu betrachten gewohnt sind, da zu Worte meldet. Diese Demonstranten lassen nicht einfach Luft an den berühmten Stammtischen ab, sie entsorgen ihre Kritik auch nicht in Leserbriefen an die zuständigen Verwalter öffentlichen Unmuts oder erheben ihre Wahlstimme in den jeweils aktuellen Politbarometern. Die Aktivisten von Blockupy stören den demokratisch-kapitalistischen Normalvollzug, um mit ihrer Kritik in einer derartig hermetisch-affirmativen Öffentlichkeit wie der unseren überhaupt als abweichende Auffassung zur Geltung zu kommen. Diese Störung soll nachdrücklich ausfallen, weil die Demonstranten eines klarmachen wollen: Ihre Kritik am Finanzkapital und dessen staatlicher Protektion ist nicht bloß theoretisch gemeint, eine redliche aber praktisch belanglose Meinung eben, sondern sie gehört praktiziert als politischer Wille, der auf Unterbindung der kritisierten Machenschaften und Allianzen zielt. Die Bevölkerung soll sich dieser Kritik anschließen, damit diese praktisch wirksam wird.
… zur Wahrnehmung des Rechts auf Versammlungsfreiheit
Das ist für den Staat die Provokation, die er unschädlich machen will. Im demokratischen Rechtsstaat gibt es für die Erledigung dieses abweichenden Willens das Demonstrationsrecht: das unterdrückt ihn nicht einfach, sondern bringt ihn zur Räson, indem es ihn beschränkend erlaubt.
Es darf demonstriert werden, aber nur „friedlich“. Mit dieser Generalklausel macht der Gesetzgeber die Lizenz zum öffentlichen Protest, die er erteilt, abhängig von der positiven Stellung der Demonstranten zu seiner Gewalt: die darf, wogegen und aus welchem Grund auch immer protestiert wird, nicht nur nicht angetastet werden, sondern bleibt in Gestalt der „öffentlichen Ordnung“ auch der Rahmen, in den sich der Protest einzufügen hat, wenn er seine Lizenz nicht verwirken will. Wo Blockupy wegen seiner politischen Kritik an Finanzkapital und EU-Institutionen den Alltag des Finanzdistrikts durcheinanderbringen, also die praktische Entmachtung des Finanzzentrums, die die Bewegung für nötig hält, symbolisch in Szene setzen will, nimmt die Ordnungsbehörde der Stadt Frankfurt das Symbol für die Sache. Die wertet sie als Angriff auf die Rechtsordnung, in letzter Instanz aufs Gewaltmonopol und verlangt Abrüstung: An der Bereitschaft, ihre „asambleas“ auch in Turnhallen abzuhalten, die Demo auf den abseitigsten Routen durchzuführen, und vor allem zum völligen Verzicht auf Blockadeaktionen gegen die EZB, liest die Staatsgewalt ab, ob die Demonstranten bereit sind, ihr Anliegen auf den Status einer kollektiven Meinungsäußerung herabzustufen und von jedem – und sei es noch so symbolischen – praktischen Willen zur Durchsetzung ihrer Sache Abstand zu nehmen. Wenn sie bereit sind, ihre Kritik als öffentliche Mahnung an die Machthabenden vorzutragen und die Beseitigung der kritisierten Tatbestände in deren verantwortungsvollen Händen zu belassen, dann sind sie auf der Höhe der Lizenz, die ihnen das Grundgesetz zubilligt. Was dann noch an Verkehrsbehinderung übrig bleibt, ist ungefähr das Maß an Störung, das der Staat zu tolerieren bereit ist.
Die Unterordnung jeglicher Kritik unter die Gewaltfrage …
Damit das Demonstrationsrecht wahrgenommen werden kann, müssen Demonstranten sich dazu bekennen, dass ihnen das rechtlich kodifizierte Gewaltmonopol sakrosankt ist und höher steht als ihre Sache. Sie dürfen die Erfahrung machen, dass dieses Bekenntnis zum eigentlichen, kritisch geprüften Gehalt ihrer Demonstration wird. Von daher ist das Demonstrationsrecht geradezu ein Instrument zur Neutralisierung des politischen Inhalts, dem doch die Aktion zur Durchsetzung verhelfen soll.
So handhaben es nicht nur die zuständigen Instanzen der Staatsgewalt, die den politischen Aktivisten die Gewaltfrage praktisch aufmachen. Im Vorfeld der Aktionstage schüren Presse, Funk und Fernsehen Ängste vor „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ und schützen durch diese Fokussierung der Aufmerksamkeit die Frankfurter vor der Versuchung, sich mit der Kritik der Demonstranten an der Politik der Troika zu befassen. Statt als Adressaten des Anliegens der Demonstranten sollen die Bürger sich als Betroffene durch deren „Randale“ begreifen. In ihrem Namen fordern die Medien die staatlichen Exekutivorgane nachdrücklich auf, ihr Gewaltpotential als Schutzmacht aller Rechtschaffenen in Stellung zu bringen, falls die Demonstranten nicht kuschen.
Eine derartig hermetische Kampffront ist geradezu eine Nötigung dazu, dass sich erkleckliche Teile der Teilnehmer diese Unterwerfung unter das Bravheitsgebot der demokratischen Obrigkeit nicht bieten lassen und gegen die Demoauflagen verstoßen – teils noch, um im Sinne der politischen Sache, in der man unterwegs ist, eine Provokation zu setzen, damit von der überhaupt noch etwas sichtbar wird, öfters allerdings in falscher Umdrehung dessen, wozu man von oben gezwungen wird. Die Selbstbehauptung gegen die Gewalt des Staates wird zum aparten Kampfziel, das von der politischen Kritik, von der man ausgegangen ist, nicht mehr viel übrig lässt. Die demokratische Ordnungsgewalt rechnet mit Aktivitäten durch den sog. „schwarzen Block“ und legt dies dem politischen Anliegen der Finanzkapitalkritiker zur Last und diesen als Anforderung vor. Falls die Veranstalter der Aktionstage nicht bereit seien, Garantien für deren „friedlichen Verlauf“ zu liefern, wird mit einem Verbot der gesamten Veranstaltung gedroht. Der Hinweis, dass nach dieser Logik die Stadt kein einziges Fußballspiel mehr genehmigen dürfte, trifft zwar den Nagel auf den Kopf, nützt den Blockupisten aber überhaupt nichts. Wo es dem Abwürgen eines politisch unliebsamen Anliegens dient, weigern sich die Frankfurter Behörden eben die Unterscheidung zu machen, die ihnen bei jedem Fußballspiel und jeder „Fanmeile“ selbstverständlich ist – die Unterscheidung zwischen dem eigentlichen Anliegen, gegen das sie nicht vorgehen, und „Krawallmachern“, die sie aus dem Verkehr ziehen.
Die „Verhandlungen“, die den anmeldenden Blockupy-Veranstaltern von den genehmigenden Ordnungsorganen im Vorfeld abverlangt werden, haben unter dem Titel „Gewaltfrage“ nichts Geringeres als die komplette Umwidmung des Demonstrationszwecks zum Gegenstand. Mit der allergrößten Selbstverständlichkeit wird den Protestierenden abverlangt zu vermeiden, was ihre Absicht ist: eine Störung der öffentlichen Ordnung, mit der sie der Kritik an der Verarmungspolitik der Troika öffentliche Beachtung verschaffen wollen. Sie sollen diesen polizeilichen Standpunkt gegenüber den Teilnehmern selbst einnehmen und ihre eigenen Reihen von den Elementen säubern, die sich zu einer solchen Unterordnung unter die Staatsgewalt nicht bereitfinden. Weil das Aktionsbündnis dazu wenig Neigung zeigt und sich weigert, seine öffentlichen demonstrativen „asambleas“ in geschlossenen Turnhallen und seine Demonstrationen als stundenlangen Rundlauf auf einem öffentlichen Parkplatz vor den Toren der Stadt abzuhalten, vermisst die Staatsgewalt jede „Kooperations- und Kompromissbereitschaft“ und verbietet die Aktionstage komplett.
… und deren rechtliche Absegnung
Die Veranstalter ziehen vor das Frankfurter Verwaltungsgericht, um Widerspruch gegen die Verbotsverfügung einzulegen – in einem Rechtsstaat steht schließlich jedem der Klageweg auch gegen die Staatsgewalt offen. Das Gericht waltet seines Amtes, welches sich durch den besonderen Blick auszeichnet, den es auf den Gegensatz wirft, der vor seine Schranken gebracht wird.
Aus der politischen Kritik der Demonstranten am Finanzkapital und seinem für die gewöhnliche Bevölkerung schädlichen Geschäft wird das Rechtsgut „Schutz der Versammlungsfreiheit“, dessen Gewicht die Richter zu prüfen haben. Diese Prüfung befasst sich logischerweise mit dem Inhalt der Kritik überhaupt nicht. Was Blockupy kritisiert – die Banken gehen unverdrossen ihrem schädlichen Treiben nach und weder ihre „Mitarbeiter“ noch die Wohnbevölkerung verschwenden einen kritischen Gedanken auf die Konsequenzen dieses Treibens, weshalb „Blockupy“ diesen Alltag demonstrativ unterbrechen will – ist vor Gericht nur insofern relevant, als auch ebendieses Treiben die Wahrnehmung eines schutzwürdigen Rechtsgutes, der Ausübung von „Gewerbe- und Berufsfreiheit“, darstellt. So wird aus dem politischen Gegensatz zwischen Blockupy und den Banken die Kollision zweier Rechtsgüter, die Juristen passend zu gewichten wissen: Demonstrieren darf nicht zur Störung des Alltags ausarten, gegen den protestiert wird. Das Verwaltungsgericht Frankfurt bestätigt deshalb das Verbot aller Platzbesetzungen und asambleas sowie der Blockadeaktionen gegen EZB und Geschäftsbanken, hebt aber die Verbotsverfügung gegen eine Demonstration in der Frankfurter Innenstadt auf, sofern sich Blockupy in den Tagen davor an alle anderen Verbote hält. Die „Gefahrenprognose“ der Frankfurter Ordnungskräfte, die den Veranstaltern die Teilnahme gewaltbereiter Autonomer zur Last legt, sieht das Gericht zwar genauso. Es mutet aber der Polizei die Aufgabe als „bewältigbar“ zu, die „Sicherheit der Demonstration“ zu schützen, indem sie die militanten von den braven Demonstranten mit dem dafür nötigen Gewaltaufwand trennt.
Die Veranstalter haben sich vom Gericht eine gerechte Würdigung ihres Anliegens versprochen – was sie bekommen haben, ist eine Klarstellung darüber, wie weit ihr Anliegen rechtlich gültig ist. Das Protestieren ist eine Frage der Lizenz von oben. Ob die erteilt wird, hängt vom Willen der Protestierenden ab, sich als Störer durchzustreichen – und von der Fähigkeit der Polizei sicherzustellen, dass diese Frage sowieso nicht vom Willen der Demonstranten abhängt.
Die Durchsetzung des Gewaltmonopols …
Die Ankündigung des Blockupy-Bündnisses, sich nicht einfach vom Acker machen zu wollen, sondern mit allen möglichen kreativen Aktionen den Protest doch noch durchzuführen, beantwortet die Ordnungsmacht im Sinne des Demonstrationsrechts und im Namen der Demokratie mit einem Aufgebot an rechtsförmigen Gewaltmitteln, als gelte es einen Aufstand niederzuschlagen. Da agieren Demokraten wie ihre Kollegen in Regimen, denen sie den Respekt vor dem Recht ab- und einen notorischen Hang zur Gewalt zusprechen: Sie wahren ihr Gewaltmonopol, indem sie es einsetzen, und eine gewisse Asymmetrie beim Gewalteinsatz ist da kein Fehlgriff, sondern Sachnotwendigkeit. Das auch in letzter Instanz vom Verfassungsgericht bestätigte totale Verbot der Aktionstage schafft die Rechtstatbestände, die durch die Polizei geahndet werden. Das Occupy-Zeltcamp vor der EZB wird geräumt und um die EZB eine Bannmeile errichtet, die Bank also zu hoheitlichem Territorium erklärt, bei dem höchste Sicherheitsstandards gelten. So avanciert die bloße Anwesenheit von Leuten, die sich an den eigens errichteten Schleusen um die Bannmeile nicht als Arbeitsplatzberechtigte ausweisen können, zur Ordnungswidrigkeit, das Widersetzen gegen die ausgesprochenen Platzverweise zum Straftatbestand, was das Wegsperren unliebsamer Personen legitimiert. Ganz pauschal haben schon mal alle Teilnehmer der M31-Demo, die sich am 31. März, dem sog. „antikapitalistischen Aktionstag“, in den Polizeikesseln wiederfanden und seitdem den polizeilichen Datenbestand komplettieren, ein viertägiges Aufenthaltsverbot in Frankfurt mit der Post zugestellt bekommen. In einem demokratischen Rechtsstaat gibt offensichtlich eine vermutete Gesinnung dadurch einen manifesten sanktionsfähigen Tatbestand her, dass die Ordnungsbehörde sie als Grundlage für ordnungswidrige Äußerungen einstuft. Ganze Busladungen vermuteter Demonstranten werden außerhalb von Frankfurt abgefangen und in zuvor eingerichtete Auffanglager in ziemlich weiträumiger Umgebung verbracht. Dort dürfen sie sich am schwierigen Geschäft versuchen, in Umkehrung der Beweislast die Ordnungshüter von ihren polizeikonformen Absichten zu überzeugen. Diejenigen, die die Polizei laufen lässt, können sehen, wie sie wieder nach Frankfurt zurückfinden. Der große Rest wird mit Sanktionen belegt, gegen die sie natürlich Rechtsmittel einlegen dürfen – leider sehen sich die zuständigen Gerichte in Mittelhessen aber nicht in der Lage, einen Feiertagsnotdienst zu organisieren, der sich damit befassen kann. Immerhin dürfen die Betroffenen nach der Demonstration dann gerichtlich feststellen lassen, ob ihnen die Alternative zwischen Enthaltsamkeit beim Protestieren und Kriminalisierung zu Recht und wirklich nur mit den erlaubten Mitteln aufgemacht worden ist. Das relativiert schon mal den Verdacht von Schikane oder Polizeiwillkür.
… legt das Schutzobjekt lahm
Mit dieser Art Ausnahmezustand bewirken die hochgerüsteten Ordnungshüter genau das, was die Stadt dem Blockupy-Bündnis auf keinen Fall gestatten wollte: Ihre Polizeikräfte legen zwar nicht den Finanzverkehr, aber das Finanzviertel für vier Tage ziemlich lahm. Wo die Blockupisten das zivile Leben für flashmobs oder andere kreative Formen des Unterlaufens des Versammlungsverbots nutzen, wird es unterbunden – U-Bahnstationen werden dauerhaft, Autobahnen nach Bedarf einfach dicht gemacht. Das Bankenzentrum bleibt hermetisch abgeriegelt, und außer ein paar versprengten, in Freizeitkleidung getarnten Bankangestellten lässt sich kaum jemand blicken. Wer allerdings meint, da hätte die Ordnungsmacht ein Eigentor geschossen oder gar – wie etliche Veranstalter – sich höhnisch dafür bedankt, dass die Polizei das Blockupy-Anliegen mit einer Effektivität besorgt habe, die sie selber nicht hingekriegt hätten, muss sich schon ziemlich taub stellen für die Lektion in Sachen Rechtsordnung, die die demokratische Staatsgewalt verabreicht: Für die Durchsetzung des Rechtsguts „freie Berufsausübung“ gegen Kritiker der unschönen Resultate dieser Freiheiten findet die Berufsausübung eben auch mal nicht statt. Das gibt einen Hinweis auf das Verhältnis von Rechtsordnung und zivilem Leben: Die Rechtsordnung setzt sich als die Bedingung für das zivile Leben, also steht sie über ihm. Für ihre unanfechtbare Geltung, also vor allem für die Durchsetzung unbedingten Gehorsams gegenüber dem Hüter dieser Ordnung, wird das zivile Leben auch einmal vertagt.
Demokratie – richtig wehrhaft
Dass der exzessive Gebrauch von Gewaltmitteln nicht zur Demokratie passe und deren Repräsentanten „peinlich“ sein müsse, wie Demonstranten und Teile der Öffentlichkeit in der obligatorischen Nachbereitung dieser Demonstration wehrhafter Demokratie meinen, verkennt beides: die Demokratie und ihre Repräsentanten. Für die rechtfertigt die demokratische Form des Staates noch jeden Aufwand an Gewalt, den sie für nötig halten, und der Erfolg bei deren Anwendung stiftet nichts als Zufriedenheit. Dass es gelungen ist, den angekündigten Protest in einen friedlichen Innenstadtspaziergang umzuwandeln, wird allenthalben lobend hervorgehoben. Wie viele Verbote und welches Auftreten der Polizeitruppe wann und wo dafür wirklich nötig waren, darüber wird nach dem Ereignis räsoniert. Die Oberbürgermeisterin und ihr Ordnungsdezernent loben das „hohe Polizeikräfteaufgebot“ dafür, dass es Aufruhr erstickte, bevor er entstand. Vertreter der Oppositionsparteien halten es hingegen für möglich, dass angesichts der Kooperationsbereitschaft der Demonstranten, ein „friedlicher Verlauf“ der Sache auch mit weniger Einschränkungsmaßnahmen erreicht worden wäre. Und die Demonstranten, zumindest Teile von ihnen, rühmen es als ihren Erfolg, „die Gefahrenprognose von Stadt und Polizei ad absurdum geführt zu haben“ (Attac). Das traurige Schicksal, das die demokratische Herrschaft ihrer Kritik am Finanzkapital gerade mit der Anwendung des Demonstrationsrechts bereitet hat, tritt so zurück hinter das Beharren darauf, das Recht auf Demonstration wahrnehmen zu wollen und wahrnehmen zu dürfen. Dieses Beharren macht sie in ihren Augen zu den eigentlichen Demokraten und die Frankfurter Stadtregierung zu Verfechtern einer „demokratiefreien Zone“. Vor der Paulskirche werden Grundgesetzbücher hochgehalten um das zu demonstrieren.
So hat die real existierende Demokratie auf der ganzen Linie gesiegt: Praktisch, indem die Machthaber die politische Kritik von Blockupy niedergemacht haben – und ideell, indem viele der Kapitalismuskritiker diese Erfahrung in die Rettung ihrer guten Meinung über die Staatsform überführt haben, in der der Kapitalismus so prächtig gedeiht.