Eine Stunde Druckausgleich für immer mehr Druck pro Stunde
Ende Oktober vermelden Zeitungen einen „ungewöhnlichen Schritt“ aus der Welt der Produktion. Der Autobauer Porsche senkt für die Mitarbeiter am Standort Zuffenhausen die wöchentliche Arbeitszeit von 35 auf 34 Stunden bei vollem Lohnausgleich. „Ungewöhnlich“ deshalb, weil es für die Kommentatoren ganz und gar gewöhnlich ist, dass ein Automobilunternehmen, das gerade nicht „in der Krise“ ist, sondern immer mehr von seinen Produkten auf dem Markt verkauft, gar nicht genug Arbeit aus seinen Arbeitskräften herausholen kann.
Tatsächlich ist das auch bei Porsche nicht anders, wie der Betriebsratsvorsitzende Hück in seiner Begründung für die geschenkte Arbeitsstunde zu Protokoll gibt:
Vor vier Jahren seien am Tag 142 Autos in Zuffenhausen gefertigt worden, inzwischen seien es mehr als 200 Einheiten. Zwar seien neue Mitarbeiter eingestellt worden, andererseits sei aber auch die Produktivität enorm gestiegen, sagte Hück.“ (Nürnberger Nachrichten, 21.10.13).
Durch die Produktivitätssteigerung in Zuffenhausen nimmt der Stress meiner Kolleginnen und Kollegen zu. Dafür brauchen wir ein Ventil. Das haben wir mit der Arbeitszeitverkürzung in Zuffenhausen erreicht.“ (automobilwoche.de, 19.10.13)
Es ist dem Betriebsratsvorsitzenden völlig klar, dass die Steigerung der Ergiebigkeit der Arbeit in einem kapitalistischen Unternehmen den Beschäftigten weder Arbeit erspart noch sie erleichtert, vielmehr mit steigenden Belastungen einhergeht. Den Grund verschweigt er allerdings: Dass die Leute pro Stunde mehr Autos für die Firma bauen, ist ökonomisch nur deswegen vernünftig, weil Porsche mehr geldwertes Produkt aus der Arbeit herausholt. Indem die Firma den Arbeitskräften pro Produkt weniger Lohn zahlt, senkt sie die Lohnstückkosten und vergrößert die Gewinnspanne. Der Nutzen der Produktivität gehört dem Kapital und geht zu Lasten derer, die produktiver geworden sind: Bei denen macht sich das kalkulatorische Interesse des Betriebes, die Kosten der Arbeit am zusätzlich geschaffenen Geldwert zu senken, darin bemerkbar, dass ihre Dienste für die Geldrechnung der Unternehmer einfach nur ruinöser werden.
Darin sieht der Betriebsratsvorsitzende Hück nur ein Problem, – und das packt er in das drastische Bild von einem „Ventil“, das die Bandarbeiter brauchen, damit aus dem steigenden Arbeitsdruck nicht noch ein Überdruck wird und irgendein Kessel platzt. Der Betriebsratschef nimmt seine Leute als kollektive Maschine ins Visier, die einer ihrer technischen Eigentümlichkeit entsprechenden Wartung bedarf. Die Stunde Freizeit, die er „erreicht“ hat, dient unter den gegebenen Stressbedingungen der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Belegschaft für den Unternehmenszweck – und damit ist den Bandarbeitern mindestens genauso gedient wie dem Unternehmen, denn sie wissen ja, was ihnen blüht, wenn sie schlapp machen.
Das Unternehmen tauscht gerne circa 3 % der wöchentlichen Arbeitszeit gegen die – grob gerechnet – 40 % gesteigerte Leistung pro Arbeitsstunde in den letzten vier Jahren und stellt dazu noch klar, dass es auch künftig in Sachen Leistung auf nichts verzichtet, wenn es auf eine Wochenstunde Arbeitszeit verzichtet:
Wie ein Sprecher erklärte, sind (für die wegfallenden Arbeitsstunden) keine Neueinstellungen geplant.“ (Epoch Times, 13. 10. 2013).
Und mit all dem pflegt Porsche noch das Image einer Edelschmiede, die Autos für Privilegierte von privilegierten Arbeitern bauen lässt.