Wann Asyl angebracht ist und wann nicht

Österreich holt syrische Christen

Während zwischen Juli und Oktober 2013 am Brenner laut der Tageszeitung „Die Presse“ 577 syrische Flüchtlinge, darunter Kleinkinder und Schwangere, aufgegriffen und nach Italien zückgeschoben werden, erklärt sich Österreich Ende August im Rahmen einer „Humanitären Aktion Syrien“ dazu bereit, 500 Flüchtlinge direkt aus der Krisenregion aufzunehmen und auch selbst aus dem Bürgerkriegsland abzuholen:

Die ersten der von Österreich aufzunehmenden syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge treffen am Dienstag 1.Oktober gegen 19:00 Uhr mit dem Flugzeug in Wien-Schwechat ein. … Die aufgenommenen Flüchtlinge werden in Österreich Asyl von Amts wegen, d.h. einen dauerhaften Schutzstatus erhalten.“ (Kleine Zeitung vom 26.9.2013)

Den einen wird als ungebetenen Flüchtlingen der Zugang nach Österreich strikt verweigert, die anderen werden als willkommene Opfer mit großem Bahnhof eigenhändig geholt! Wenn es bei der „Humanitären Aktion Syrien“ um Hilfe für die Leidtragenden eines Bürgerkriegs ginge, eine Absurdität. Nicht nur wegen der lächerlich geringen Zahl – „Mehr als drei Millionen Syrer sind laut UNO bisher aus ihrer Heimat geflohen“, schreibt die Kleine Zeitung am 28.11.2013. Da hätte man doch gleich die 577 aufnehmen können, die es auf ihrer Flucht schon bis zur österreichischen Grenze geschafft haben!

Aber um Hilfe in dem Sinne geht es offensichtlich nicht, wenn sich Österreichs Regierung „zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit“ erklärt. Die Gründe des humanitären Entgegenkommens liegen ganz offenkundig nicht bei den hilfesuchenden Objekten und ihrer Not, sondern fallen ganz in die Berechnungen der staatlichen Hoheit, die sich der Opfer politischer Gewalt anderswo annimmt. Daraus macht der seinerzeit zuständige Außenminister auch gar kein Geheimnis, das beansprucht er vielmehr als selbstverständliches Recht seines Staates, der sich bereit findet, Asyl zu gewähren: Spindelegger lässt die Öffentlichkeit wissen, dass „die freiwillige Aufnahme von 500 Flüchtlingen ein gutes Zeichen für Österreich (sei), ‚da werden wir ja wohl auch sagen dürfen, wen wir wollen.‘“ (www.tagesanzeiger.ch, 5.9.2013) 500 notleidende Flüchtlinge ganz ohne politische Not ins Land zu lassen, sogar selber herzuholen, das adelt Österreichs Politik in seinen Augen ungemein – und das berechtigt sie deswegen auch, die Konditionen der Hilfe ganz nach ihren Bedürfnissen zu gestalten.

Aufgenommen werden nicht einfach irgendwelche Flüchtlinge, geholt und aufgenommen werden bevorzugt Christen, und da wieder insbesondere solche, die Anknüpfungspunkte zu Österreich haben. Zum Warum äußert sich der Außenminister menschlich betroffen: „Ja, Christen leiden besonders in diesem Krieg.“ ( www.tagesanzeiger.ch, 5.9. 2013) Das Innenministerium gibt dann schon etwas näher Auskunft, warum gerade diese Opferklientel eine bevorzugte humanitärer Zuwendung Österreichs verdient:

Warum sind Christen ein Schwerpunkt? … Diese befinden sich insbesondere als religiöse Minderheit oft in einer besonders schwierigen Situation zwischen Regierung und Revolutionären.“(Information des BMI „Humanitäre Aktion Syrien“)

Die handverlesenen Christen passen nicht nur zum nationalistischen Gemüt österreichischer Christenmenschen, denen man die Aufnahme ausländischer Muslime, Opfer hin oder her, nicht so leicht als humanitäre Großtat verständlich machen kann. Mit der Auswahl der „besonders“ Betroffenen, als deren Schutzmacht sich Wien präsentiert, demonstriert Österreichs Regierung vor allem auch ihre politische Stellung zu den ‚Tätern‘, den Parteien im syrischen Bürgerkrieg. Mit der „freiwillig“ übernommenen Verantwortung für speziell diese syrischen Bürgerkriegsopfer definiert sie vornehmlich die Christen als Geschädigte ungerechtfertigter Gewalt und dokumentiert damit ihre feststehende Feindschaft gegen das ‚Regime‘ Assads und zugleich ihre kritische Distanz zu den islamischen Kämpfern unter seinen Gegnern.

Die demonstrative humanitäre Aktion ist aber nicht nur eine diplomatische Botschaft an die Bürgerkriegsparteien, sondern geht auch an die Adresse der USA und Großbritanniens, die gerade zu der Zeit mit einem Militärschlag gegen Syriens Führung auch ohne UNO-Mandat drohen. Dieses eigenmächtige Vorgehen an der Weltorganisation vorbei lehnt Österreich öffentlich entschieden ab:

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) warnte am Mittwoch ‚ausdrücklich vor einem voreiligen Militärschlag ohne UNO Mandat‘. ‚Es sollten alle diplomatischen und politischen Möglichkeiten ausgelotet werden, Ziel muss eine politische Lösung sein, keine militärische‘, strich Faymann hervor.“ (www.heute.at, 28.8.2013)

Und genau zum Zeitpunkt der unmissverständlichen amerikanischen Gewaltandrohung gegen Assad verkündet die österreichische Bundesregierung, die zwei Monate zuvor noch jede Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien kategorisch abgelehnt hat, deswegen ihre Bereitschaft, sich ausgewählter Opfer des Bürgerkriegs anzunehmen, positioniert sich so als humanitärer und an Friedensstiftung interessierter Mitverantwortlicher und unterstreicht so ihre Distanz zum drohenden militärischen Alleingang der westlichen Großmächte.

Davon, dass der österreichischen Bundesregierung das echte humanitäre Verständnis fehle, wie ihr von engagierten Asylrechtsanhängern vorgeworfen wird, kann also keine Rede sein. Für die beabsichtigten diplomatischen Botschaften ist dieser humanitäre Akt, sind die handverlesenen 500 christlichen Bürgerkriegsopfer und ist die politische Inszenierung ihrer Beheimatung als amtlich genehmigte Dauerasylanten in Österreich genau passend. Anders ist Humanität politisch nicht zu haben, und für solche außenpolitischen Berechnungen ist das Asylrecht und seine staatliche Wahrnehmung ein handliches Instrument.

Das zeigt auch der Fall Edward Snowden.

Kein Asyl für Snowden in Deutschland!

Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter macht die weltweiten Spähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes öffentlich und befindet sich seitdem auf der Flucht vor der US-Regierung, die ihm die Aufdeckung ihrer weltweiten NSA-Aktivitäten als Landesverrat vorwirft und ihn verfolgt. So gesehen ein klassischer Asylfall, möchte man meinen: Snowden musste aus politischen Gründen seine Heimat verlassen, sein Leben ist seither gefährdet; und die USA haben mit ihren Spähaktionen internationales Recht und die Interessen anderer Staaten, Deutschlands insbesondere, verletzt und geschädigt.

Den Asylantrag Snowdens auch an Deutschland lehnt die deutsche Regierung, obwohl über die Spähaktionen der Amis aufgebracht, allerdings entschieden ab. Warum das so ist, darüber gibt Egon Bahr, ehemaliger Minister der BRD, auf die Frage einer Journalistin im Ö1-Morgenjournal vom 11.11.2013: „Sollte Deutschland Snowden Asyl geben?“ wie folgt Auskunft:

Nein, sollte nicht. Und zwar deshalb, weil Amerika die unentbehrliche Macht ist auf der Welt, nicht nur für uns, sondern auch für die Russen, sondern auch für die Chinesen und für den Rest der Welt. Sehen Sie mal, dass der Putin kooperativ ist und dem Obama geholfen hat, über die Krise Syrien und Chemiewaffen zu kommen, ist die eine Sache und es ist konsequent nur, dass er weiter kooperativ ist und in der richtigen Erkenntnis, dass es für das Verhältnis zwischen Amerika und Deutschland unerträglich wäre, wenn Snowden nach Deutschland käme, das hat er respektiert und eingesehen und ist kooperativ insofern, als er die Möglichkeiten eröffnet hat, dass deutsche Beamte oder deutsche Politiker Snowden auch in Moskau vernehmen können oder mit ihm sich unterhalten können. Also es gibt eine interessante, positive Politik der Kooperation mit Amerika von Seiten Putins, und das brauchen wir, das werden wir auch für den Iran brauchen, dann werden wir mal sehen, was aus der Wundertüte rauskommt.“

Deutlicher kann man es nicht sagen, welche Erwägungen bei der Frage, ob Asyl gewährt werden soll oder nicht, zum Tragen kommen und was garantiert keine Rolle spielt. Wenn es zu den außenpolitischen Kalkulationen nicht passt, dann zählt alles nichts, was Staaten als gute Gründe für ein Anrecht auf Asyl definiert haben: politische Verfolgung, existentielle Bedrohung, elementare Rechtsverletzungen des verfolgenden Staats. Das alles ist für Bahr so nebensächlich, dass er darüber kein Wort verliert. Umgekehrt hält er es auch nicht für notwendig, für die Ablehnung von Snowdens Antrag auf der Ebene des nationalen und internationalen Rechts zu argumentieren und der USA Rechtsstaatlichkeit zugute zu halten, weshalb es sich im Fall Snowden unmöglich um Verfolgung im Sinne der UN-Flüchtlingskonvention handeln könne. Der Fachmann für deutsche Außenpolitik beruft sich umstandslos auf die Unzweckmäßigkeit einer Asylgewährung für Deutschlands Verhältnis zu den mächtigen USA. Auf Washington als unentbehrlichen ‚Partner‘ sieht sich Deutschland für sein Ausgreifen in der Welt verwiesen. In diesem Fall ist also der Einsatz des Asylrechts als ein diplomatisches Instrument der Delegitimierung einer anderen Staatsgewalt fehl am Platz. Diese deutsche Berechnung auf Amerikas Vormachtrolle schreibt Bahr ausgerechnet dem russischen Präsidenten als dessen weltpolitisch heilsame Einsicht und kooperationswillige politische Vernunft zu, die im speziellen Fall zugleich Deutschlands Interesse an Snowdens Ausforschung bedient und Berlin eine unerwünschte Konfrontation mit den USA erspart.

Bahr weiß also nicht nur, dass sich die Entscheidung über Asylgewährung oder -verweigerung nicht aus dem Urteil über die Rechts- und sonstigen Zustände eines Landes ergibt, sondern umgekehrt das Urteil über Recht- und Unrechtmäßigkeit staatlicher Gewaltausübung auswärts sich aus der Stellung des eigenen Staates zu dem Land ergibt, dessen Zugriff sich ein Asylsuchender zu entziehen sucht. Der deutsche Ex-Minister führt auch wie selbstverständlich die ansonsten humanitär verbrämten nationalen Machtinteressen als das schlagendste Argument in Sachen ‚Asyl ja oder nein‘ ins Feld. Das sollte man ihm dann auch abnehmen.

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