Ich kenne nur noch Deutsche
„Deutschland hat die Krise wie kaum ein anderes Land gemeistert. Was wir uns vorgenommen hatten, das haben wir auch geschafft: Wir sind sogar gestärkt aus der Krise herausgekommen. Und das ist vor allem Ihr Verdienst, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Deutschland ist so erfolgreich, weil Sie Tag für Tag Ihre Arbeit machen. Sie sind früh morgens auf den Beinen. Sie arbeiten im Schichtdienst, an Sonn- und Feiertagen. Sie kümmern sich um Aufträge und um Ihre Mitarbeiter. Sie meistern Ihren Alltag, wie schwer er oft auch sein mag. Gemeinsam haben wir Enormes geleistet.“
Demokratische Führer schätzen ihr Volk – so: Wenn es nur „Aufträge“ und keine Klassen kennt und wenn die untere Klasse zufrieden gestellt ist mit dem Konkurrenzerfolg der Oberen, der Kapitale und der Nation sowie mit einem billigen Lob von ganz oben, wie schwer ihr Alltag auch sein mag.
Und schwer bleibt ihr Alltag, weil das Krummlegen für diesen Erfolg auch weiterhin ansteht. Das kündigt die Kanzlerin an:
„So wie wir mit Hoffnung in die Zukunft blicken, so tun das auch die Menschen in anderen Teilen der Welt. Auch sie haben Vorstellungen davon, wie sich ihr Land entwickeln soll. Damit fordern sie auch uns Deutsche heraus, nicht stehen zu bleiben.“
Deutschland blickt in die Zukunft mit der Hoffnung, in und nach der Krise stärker dazustehen als andere Länder. Wenn Unternehmenspleiten und Staatsbankrotte anfallen, dann auch künftig anderswo, da erlaubt Deutschland kein Ausruhen. In anderen Teilen der Welt sind die Völker dem deutschen Volk nämlich in einem ähnlich – auch sie lassen sich tugendhaft und ohne Rücksicht auf eigene Verluste von ihren Führern rannehmen für die Entwicklung ihrer Nation, und damit, so weiß die Kanzlerin, fordern sie „uns Deutsche“ heraus. Entschieden räumt Merkel auf mit dem Quatsch vom friedlichen Kooperieren der Völker auf der Welt und dem Weltmarkt. Da herrscht Konkurrenz. Der Erfolg anderer Länder geht die deutschen Bundesbürger nicht nur etwas an, sie müssen vielmehr in ihre Vorstellungen verbindlich aufnehmen, dass „wir“ hinter deren Erfolg nicht zurückbleiben dürfen, dass „wir“ ihnen den Erfolg, wenn nötig und möglich, streitig und abspenstig zu machen haben, um den deutschen Erfolg zu vergrößern. Und mit Vorstellungen ist es da ja keineswegs getan:
„Dafür brauchen wir Sie: die Menschen, die etwas besser machen wollen, die sagen: Geht nicht, gibt’s nicht, die eine Idee haben und den Mut, sie auch umzusetzen.“
Also wie schon gesagt: Wenn deutsche Unternehmen so mutig sind, es besser machen zu wollen als ihre internationalen Konkurrenten, und dafür die Idee umsetzen, Sie, die deutschen Menschen, frühmorgens, im Schichtdienst, sonn- und feiertags für wenig Geld viel arbeiten zu lassen, dann brauchen und erwarten nicht nur die, sondern auch wir Politiker, ein strammes „Geht nicht, gibt´s nicht“ gerade von Ihnen. Schließlich ist Ihr Schaden Mittel für den allerhöchsten Zweck: den deutschen Wirtschaftserfolg in aller Welt.
In diesem Sinne wünscht Merkel den lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern für 2011 alles, was dafür vonnöten ist:
„Gesundheit, Kraft, Zufriedenheit und Gottes Segen.“
An internationaler Kooperation, daran erinnert die Kanzlerin ausdrücklich, ist Deutschland bei seinem Durchsetzungswerk aber durchaus gelegen:
„Europa steht in diesen Monaten inmitten einer großen Bewährungsprobe. Wir müssen den Euro stärken. Dabei geht es nicht allein um unser Geld. Der Euro ist ja weit mehr als eine Währung. Wir Europäer – wir sind zu unserem Glück vereint. Das vereinte Europa ist der Garant für unseren Frieden und Freiheit. Der Euro ist die Grundlage unseres Wohlstands. Deutschland braucht Europa und unsere gemeinsame Währung. Für unser eigenes Wohlergehen wie auch, um weltweit große Aufgaben zu bewältigen.“
Das vereinte Europa ist also ein Glücksfall für alle Europäer und der Euro ist dafür das Symbol. Blöd ist bloß, dass zahlreiche europäische Nationen von diesem Glück gar nichts mitbekommen, weil sich ausländische Unternehmen in und an ihnen dumm und dämlich verdienen. Wirtschaftpolitische Einschränkungen dieser Freiheit sind ihnen nicht erlaubt und Subventionen wegen des europäischen Regimes über ihre Staatsverschuldung nur eingeschränkt möglich. Frau Merkel ist sehr dafür, dass Europa diese Bewährungsprobe besteht, denn als Exportnation braucht Deutschland Europa schließlich als Absatzmarkt, auf dem seine Wirtschaft prima Geschäfte macht. „Unser Wohlstand“ ist nämlich gar nicht das Wohlergehen der kleinen Leute.
„Unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan mussten in diesem Jahr den Tod von neun Kameraden verkraften.“
Warum „mussten“ sie das? Die Frage lässt die Oberbefehlshaberin erst gar nicht aufkommen. Die Toten sind keinesfalls ein Einwand gegen den deutschen Krieg, sie adeln vielmehr die nationale Mission und verdienen den Dank des Vaterlandes. Den spendiert sie gerne:
„Auch wenn kein Wort von mir das Leid der Familien und Freunde der Gefallenen tatsächlich mildern kann, will ich von Herzen sagen: Ich vergesse sie nicht. Auch die körperlich und seelisch Verwundeten vergesse ich nicht. Ich hoffe so sehr, dass sie rasch wieder gesund werden können. Die Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan haben mir erzählt, dass viele Menschen, auch ganz unbekannte, ihnen zu Weihnachten Briefe und Päckchen geschickt haben. Sie haben mich ausdrücklich darum gebeten, Ihnen dafür zu danken. Das tue ich hiermit sehr, sehr gerne.“
Mit einem Volk, das an Front und Heimatfront für Deutschlands Stärke Opfer bringt und dabei seine Parteilichkeit für Deutschland nicht verliert, kann die Frau Bundeskanzler tatsächlich sehr, sehr zufrieden sein. In diesem Sinne: Ein Gutes Neues Jahr!