volkswirtschaftlich durchgerechnet
Weltweit wird gehungert. In zunehmendem Ausmaß. Es gibt Organisationen, die da genau mitzählen. Beispielsweise die Welternährungsorganisation (FAO) der UNO. Die hat gerade ermittelt, dass 852 Millionen Menschen zu wenig zu essen haben. Und das bei steigendem nationalen Reichtum.
„Einst huldigten manche Entwicklungsökonomen dem so genannten Trickle-Down-Effect. Der zunehmende Reichtum eines Landes sollte nach dieser Theorie irgendwann bis in die ärmsten Schichten `durchsickern´. Vielerorts blieben diese Effekte aber aus, die Armen blieben arm, während die Reichen immer reicher wurden.“ (SZ)
Na da schau her! Wer Reichtum hat, kann ihn vermehren, wer keinen hat, tut sich da schwer. Dafür sorgt schon die mit globaler Durchsetzung der freien Marktwirtschaft überall gültige staatliche Garantie des Privateigentums. All die schönen Lebens- und Produktionsmittel gehören jemandem, der sich damit bereichern will und soll, und trickeln deshalb nicht in der Gegend herum.
Über diese Gründe für das Ausbleiben des Tröpfeleffekts macht sich allerdings niemand groß Gedanken, darüber, ob der Hunger in Ordnung geht, dagegen schon. Die einen weisen darauf hin, dass die Welt nun mal dem Tüchtigen gehört (der gilt in schönem Zirkelschluss deshalb als „tüchtig“, weil ihm die Welt gehört), die anderen beklagen „menschliche Tragödien“ und spenden. Volkswirtschaftler rechnen. Und wenn sie den Hunger nicht so gut finden, dann rechnen sie so:
„ Die Kosten des Hungers belasten die Volks- wirtschaften der armen Länder gewaltig. Weil viele Kinder wegen Unterernährung und Krankheit frühzeitig sterben oder zu schwach sind, um sich für eine Arbeit zu qualifizieren,entstehen Produktionsausfälle im Wert von hunderten Milliarden Euro. FAO-Berechnungen haben ergeben, dass jeder Euro, der gezielt Ernährung und Gesundheit der Ärmsten verbessert, einen fünf- bis 20-fachen Ertrag bringt.“ (SZ)
Der marktwirtschaftliche Grundsatz, dass Geld verausgabt wird, um mehr Geld daraus zu machen, wird von dieser Berechnung nicht nur geteilt, er wird sogar als guter Grund für Hungerhilfe angeführt: Verschwendung von Ressourcen sei der Hunger, rausholen ließe sich was aus den Hungerbäuchen, wenn man minimale Mittel für ihren Unterhalt verausgaben würde. Volkswirtschaftlicher Unverstand wird gegeißelt, indem man die Kosten für die Armenspeisung mit einem erfundenen Produktivitäts- und Ertragsfaktor multipliziert. In Wirklichkeit führt gerade der Zweck, dass jeder verausgabte Euro einen x-fachen Ertrag bringen soll, dazu, dass die Ärmsten hungrig und krank sind und bleiben. Die Grundlage privatwirtschaftlicher Rechnung heißt nämlich nicht, dass wer nicht isst, nicht arbeiten kann, sondern, dass Essen nicht bezahlt wird für die, die für gewinnbringende Arbeit nicht gebraucht werden. Es ist, im Gegenteil, im Interesse der Geldvermehrung erfolgreich überprüft worden, ob sich mit dem Gelände, auf dem sich irgendwelche Wald- und Wiesenbewohner mit Hackfruchtanbau, Weidewirtschaft o.ä. durchgeschlagen haben , nicht etwas Gewinnbringendes veranstalten lässt. Und wenn da ein Konzern in Plantagenwirtschaft oder Rohstoffabbau investiert hat, dann hatten die dort Ansässigen zu weichen. Das hat die Slums der paar Großstädte inzwischen zum Bersten gefüllt. Ein Staat, der private Kapitalvermehrung zu seiner Einkommensquelle erkoren hat, – und das tun, mit nachdrücklicher Motivation durch den Internationalen Währungsfonds (IWF), inzwischen alle „armen Länder“ – ,sieht es, politökonomisch durchaus korrekt, als Verschwendungknapper Haushaltsmittel an, diese Hungerleider mit Nahrung, Wohnung und Medikamenten zu versorgen. Fürs Geschäftmachen sind sie überflüssig, also ist ihre Fütterung ohne jeglichen volkswirtschaftlichen Nutzen. Nach kapitalistischen Maßstäben wäre das nun wirklich Verschwendung von Ressourcen.
Die Rechenkünstler von der FAO sehen das anders. Für sie ist die Geldvermehrung eine fraglos großartige Sache, die massenhafte Armut nicht hervorruft, sondern – eigentlich – verhindert. Den „Beweis“ liefern sie sich und dem Rest der Welt, indem sie ein Einkommen, das die Armen nicht haben, mit einer Produktion, die nicht stattfindet, verrechnen, dem Ganzen einen nicht vorhandenen Ertrag zuschreiben und dann dessen „Ausfall“ beklagen. Das alles ist ein einziges Phantasieprodukt und muss es sein, wenn herauskommen soll, dass Profitwirtschaft und Volksernährung zusammengehören.
Aber wo ein Wille ist, da findet sich auch die passende volkswirtschaftliche Rechnung. Stimmen muss sie ja nicht.