Während die amerikanische Spionage- und Subversionsagentur CIA erst neulich vermeldete, aufgrund ihres Informationsstandes sei es eher unwahrscheinlich, dass der Iran an einer Atomwaffe bastle, nutzte Präsident Obama den Besuch des israelischen Premiers Netanjahu zu einer unverhohlenen Kriegsdrohung, die er mit dem Versprechen garnierte: „Ich bluffe nicht!“
Das damit weiter auf- und ausgebaute Kriegsszenario gegen die Islamische Republik wird von zwei Protagonisten bestimmt: den USA und Israel. Deren Legitimation zur vorbeugenden nuklearen Entwaffnung Persiens wird von der hiesigen Öffentlichkeit im Prinzip nicht bestritten, obwohl der eine, Amerika, Atomwaffen als integralen Bestandteil seiner Rüstung führt und ihren Einsatz nicht nur nicht ausschließt, sondern schon zweimal mit durchschlagendem Erfolg und sehr nachhaltigen Folgen ausprobiert hat. Der andere Protagonist, Israel, verfügt über die Bombe, ohne dass ihm deswegen Vorhaltungen von seiner Schutzmacht und deren Bündnispartnern gemacht worden wären. Im Unterschied zum Iran konnten Israel nie Verstöße gegen den Atomwaffen-Sperrvertrag nachgewiesen werden – und zwar aus einem einfachen Grund: Es ist ihm gleich gar nicht beigetreten .
Das mit einer Kriegserklärung auf Abruf belegte Veto zweier so notorisch friedliebender und der Gewaltanwendung als Mittel der Politik abholden Mächte wie Amerika und Israel gegen die Anreicherung des Urans in Persien, das nicht bloß die NATO-Mitglieder, sondern fast die komplette relevante Staatengemeinde mit Ausnahme von Russland und China mit ihrem Handels- und Finanzboykott unterstützen, hat seine Gründe nicht in einer Ablehnung dieser fürchterlichen Waffe und hängt auch nicht davon ab, ob Teheran wirklich beabsichtigt, sie sich zuzulegen.
Es ist vielmehr so: Die Islamische Republik Iran entstand aus einem ungenehmigten Sturz des Schahs; sie versteht sich als ein Staat, der höheren Werten, nämlich dem Gesetz Allahs verpflichtet ist, und sie tritt kämpferisch-alternativ zum Weltordnungsanspruch und zum Wertekanon des demokratischen Imperialismus an. Sie nimmt sich also mit ihrer erklärtermaßen antiwestlichen und islamischen Verfasstheit tatsächlich so etwas wie eine Systemgegnerschaft heraus, wirbt um Partner und bietet sich als Partner an für die Staaten, die sich der US-Vorherrschaft widersetzen wollen. Der Iran bestreitet den USA die Vormacht in einer Region, in der sie „vitale Interessen“ verfolgen: von der Energieversorgung über die ungeklärten Machtverhältnisse im Gefolge der Arabellion bis hin zum aktuell angesagten Sturz der Regierung Assad in Syrien, ganz zu schweigen von den Altlasten der Irak-Feldzüge und dem unverbrüchlichen Sicherheitspartner Israel, das seinen Staatsgründungsprozess auf Kosten der Palästinenser noch längst nicht abgeschlossen hat. Gefährlich macht aus Sicht der USA den Iran dann auch noch, dass er über Mittel verfügt, seinen amerikafeindlichen Umtrieben Geltung zu verschaffen. Durch die Öleinnahmen verfügt er bislang über ökonomische und militärische Potenzen, mittels derer er sich amerikanischen Weisungen nicht nur entziehen, sondern gegen sie auch aufbegehren kann. Für die von den USA angeführte schöne freie Welt des demokratischen Imperialismus ist der Iran also ein gefährlicher Störenfried und wird entsprechend behandelt. Das heißt: Die USA zusammen mit ihren Partnern verlangen und befördern einen Regimewechsel.
In diesem Zusammenhang steht also das Atomprogramm des Iran bzw. dessen Anfeindung durch die USA und Co. Es ist für diese nicht erst dann unerträglich, wenn daraus eine Atombombe erwächst, es ist von Anfang an inakzeptabel, weil bereits der Aufbau einer Kernenergietechnik der Natur der Sache nach immer auch die Möglichkeit bereitstellt, neben dem Betrieb von Atomkraftwerken auch Atomwaffen herzustellen. Für Verbündete und Partner der USA gilt diese Gegnerschaft natürlich nicht. Deutschland, das ebenso wie die Ajatollahs offiziell und für alle absehbaren Umstände auf Kernwaffen verzichtet hat, unterhält gleichwohl schon lange das, an dessen Entwicklung der Iran noch arbeitet: eine waffenfähige Kerntechnologie vom Feinsten. Japan oder Kanada bekommen trotz aller Konkurrenz um Weltmarkt und Weltmacht nie Schwierigkeiten mit den Kontrollinstanzen des Atomwaffensperrvertrags. Im Gegenteil: Ihnen hat Amerika als selbsterklärter oberster Wächter dieses Vertrags damit ja gerade die Lizenz zur Entwicklung des vollen nukleartechnischen Spektrums gegeben. Beim Iran wird aber die Kernfrage nach möglichen sonstigen Verwendungen angereicherten Urans zum Anlass genommen, die vertraglich vorgesehene Genehmigung zur zivilen Nutzung der Kernenergie zu verweigern. Stattdessen wird das vertragliche Inspektionsregime als schikanöses Kontrollregime, das vor allem als offiziell sanktionierte zwischenstaatliche Spionage daherkommt, in Anschlag gebracht. Dabei ist die von den Kontrolleuren offen ausgesprochene Grundlage des Verfahrens, dass Teheran das Misstrauen in seine nukleartechnologischen Anstrengungen nur dadurch beschwichtigen könnte, dass es sie einstellt.
Den Iran daran zu hindern, seine Nutzung der Kernenergie so weit voranzutreiben, dass er die Fähigkeit zum Bau von Nuklearwaffen erhielte, ist ein deutlich anspruchsvolleres Ziel als die bloße Verhinderung einer wirklich stattfindenden atomaren Aufrüstung. Dementsprechend müsste auch das Zerstörungswerk eines Militärschlags entweder der israelischen Luftwaffe im Alleingang, d. h. mit bloß logistischer und waffentechnischer NATO-Unterstützung oder als Joint Venture mit den USA, dimensioniert sein. Kein Wunder, dass dagegen noch Bedenken bis hin zum Generalstab der israelischen Armee vorgebracht werden.
Deshalb ist für Obama das Repertoire der Weltmacht zur Eliminierung des iranischen Störfalls noch nicht ausgeschöpft und seine Drohung mit dem Militärschlag als Ultima Ratio soll den israelischen Freund vom schneidigen Vorpreschen mit schwer vorhersehbaren Folgen zurückhalten. Anders als z. B. beim Abservieren Gaddafis behalten sich die USA in der Causa Iran die Führungsrolle ausdrücklich vor. Titel, die die USA selbst zu allen Maßnahmen berechtigen und derentwegen sich die „Staatengemeinschaft“ dem Kampf gegen den Iran anzuschließen hat, werden fabriziert, so dass sich manch aufmerksamer Beobachter ob deren „Plumpheit“ und „Unglaubwürdigkeit“ an den denkwürdigen Auftritt von Bushs US-Außenminister Colin Powells im Sicherheitsrat mit den „unwiderlegbaren Beweisen“ für die Massenvernichtungswaffen des Iraks erinnert. Ein angeblich vom Iran geplantes Attentat gegen den saudischen Botschafter in den USA erfüllt nach amerikanischer Lesart den Tatbestand der Planung eines terroristischen Anschlags auf amerikanischem Boden und rückt den Fall damit in die Nähe von 9/11: die Regierung des Irans – ein „Terrorregime“, das die Souveränität anderer Staaten nicht achtet und die USA auf deren eigenen Boden angreifen will. Daraus leitet die Obama-Administration ihre Berechtigung zum Schlag gegen den Iran auch ohne internationale Mitwirkung bzw. UNO-Mandat ab. Vorab schaffen die USA weitreichende Fakten, allen voran die unilateralen Sanktionen, die völkerrechtlich Kriegshandlungen gleichkommen, und stellen damit Russland und China vor die Entscheidung, ob sie sich das gefallen lassen wollen. Deutschland und die EU reihen sich mittlerweile reibungslos in die Anti-Iran-Front ein. Sie wirken an der „Lähmung“ des Irans mit eigenen Sanktionen mit.
Die Angriffe zielen auf Ruinierung des Irans: Alle Mittel, über die dieser Staat verfügt, werden ihm streitig gemacht. So wird mit den Kräften einer Supermacht daran gearbeitet und das Feld vorbereitet, den Iran endgültig in die Knie zu zwingen. Die USA geben gar nicht erst vor, die jetzt in Kraft tretenden Wirtschaftssanktionen sollten bloß das Atomprogramm des Iran blockieren. Sie sollen dessen auf Öl- und Gasverkauf basierende Binnenwirtschaft zerrütten und ihn vom internationalen Geldverkehr abschneiden, also aller Geldquellen berauben, mit deren Hilfe er sich den USA in den Weg stellen kann. So soll der Iran international handlungsunfähig gemacht werden,
Mit der „Patriot Act“ hat die Obama-Regierung jeglichen Wirtschaftsverkehr mit iranischen Banken als Akt der Geldwäsche und Bedrohung ihrer Homeland Security eingestuft. Jedes Unternehmen aus Drittstaaten – den amerikanischen ist der Verkehr sowieso längst verboten –, das Handelsverträge mit dem Iran abschließt und gleichzeitig ein Konto bei einer amerikanischen Bank führt, riskiert, ohne weitere Vorwarnung eines schweren Vergehens angeklagt und vom Geschäftsverkehr mit den USA ausgeschlossen zu werden.
Staaten in der Gesamtregion Naher und Mittlerer Osten, die unter Bush noch zögerten, sich in die Front gegen den Iran einzureihen, weil sie keinen – weiteren – Krieg in der Region haben wollten, werden durch Aufbereitung einer „kriegerischen Lage“ in diese hineingezogen. Mit den Sanktionen erleiden nicht nur der Iran, sondern auch dessen Nachbarn ökonomischen Schaden; beteiligen sie sich an den Boykottmaßnahmen gegen den Iran, machen sie sich zu Frontstaaten gegen ihn. Dafür werden die Golfstaaten von den USA mit allen nötigen militärischen Mitteln aufgerüstet. Als Aufmarschgebiet unentbehrlich für die USA, darf Bahrein den Aufstand seiner Bevölkerung mit Hilfe saudi-arabischer Interventionstruppen niederschlagen, und selbst das freundschaftliche Anmahnen von „Demokratiedefiziten“ Saudi-Arabiens unterbleibt, seitdem die Konfrontation mit Iran auf die Tagesordnung gesetzt ist. Der Bürgerkrieg in Syrien bzw. die regierungsfeindlichen Kämpfer können sich des Wohlwollens der USA gewiss sein, da so ein Verbündeter des Iran und seine wichtigste Stütze im Nahen Osten entscheidend geschwächt wird.
Ziemlich abgebrüht und kritisch bloß in den technischen Details nimmt die demokratische Öffentlichkeit auch den Übergang der US-Administration vom „War on Terror“ zum terroristischen Kleinkrieg zur Kenntnis: Ganz offensichtlich sind CIA und Mossad mit vorbeugenden Hinrichtungen gegen führende iranische Wissenschaftler unterwegs, und, wie geballt vorkommende „Unfälle“ sowie das Lahmlegen von Steuerungssoftware mittels Trojanern in Rüstungsanlagen belegen, auch mit direkter Sabotage.
Wenn die Regierung in Teheran in dieser Frage in Übereinstimmung mit der bei uns als „demokratische Alternative“ zu Ahmadinedschad und den Mullahs ansonsten sehr geschätzten Opposition von lauter Kriegsakten spricht, hat sie zwar Recht. Die USA und ihre Helfershelfer bestärkt das allerdings nur in der Hoffnung, auf dem Erfolgsweg zu sein, weil der Feind offensichtlich getroffen wurde, wenn er sich betroffen gibt.